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Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Gilvarry
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draußen. Eine Taube setzte sich darauf und schiss.
    Der Türöffner summte.
    »Verdammt noch mal, wo warst du denn? Ich hab dich tausendmal angerufen. Immer nur besetzt, besetzt, besetzt.«
    Ahmed nahm mich am Arm und führte mich in die Wohnung. Dann warf er einen Blick in den Flur. »Ist dir jemand gefolgt?«
    »Was?«
    »Ist doch ’ne ganz einfache Frage.«
    »Warum soll mir denn jemand folgen?«
    Er schloss die Tür und schob den Riegel vor.
    Ich drehte mich um und lief direkt gegen eine große Kommode im Vorraum.
    »Pack mal eben mit an, ja?« Er bedeutete mir, dass wir mit dem Möbelstück die Tür verbarrikadieren würden.
    »Was ist los?«
    »Schieb einfach.«
    »Yuksel!«, rief ich. »Wo ist der Satan, wenn man ihn braucht?«
    »Ich hab ihn losgeschickt, Vorräte besorgen.«
    »Was für Vorräte?«
    »Wasserflaschen, Tee, Scotch, Leberpastete. Vorräte eben!«
    »Was ist denn los?«
    »Komm mit«, sagte Ahmed und führte mich in die Küche.Die Speisekammer war vollgestopft mit Düngersäcken unter blauer Plane. Aus der Perspektive eines Unschuldigen – meiner Perspektive – war das nicht weiter verdächtig. Bei Ahmed herrschte immer reger Warenverkehr.
    »Ich stecke gerade mitten in einem Riesendeal«, erklärte er. »Ein ganz großes Ding, Boy. Vielleicht finanziert mir das meinen Ruhestand.«
    »Hast du unser Unternehmen total vergessen?«, fuhr ich ihn an. »Unser Label? Ja? Ich brauch dich, Mann! Wo warst du? Wir müssen jetzt Bestellungen bedienen. Barneys. Vielleicht Neiman Marcus. Bergdorf Goodman. Das schaffe ich nie im Leben alleine. Hörst du deine Mailbox nicht ab?«
    »Mailbox? Was sprichst du denn noch auf die Mailbox? Ich hab die Nummer schon lange abgemeldet. Da darfst du doch nicht draufsprechen! Die wird garantiert überwacht.«
    »Überwacht? Was soll das heißen? Wer überwacht dich?«
    » Wer? Was soll das heißen, wer? Ach, nichts weiter. Der Tierschutz, ASPCA. Es hat ein Unglück bei ’nem Pferdehandel gegeben. Wir haben ein paar Tiere beim Transport verloren. Hast du von der Frachterkollision im Norden gehört? Nein? War schrecklich! Überall Hufe und Mähnen. Ich hab dir doch von meinen Kontakten in Saratoga erzählt. Auf jeden Fall kein Grund zur Sorge. Die von der ASPCA können mir eigentlich nichts anhaben. Das ist bloß ein gemeinnütziger Verein.«
    »Du willst mich ja wohl verarschen.«
    »Okay, okay. Erwischt. Ist aber besser so. Ich will dich in nichts reinziehen.«
    »Du redest doch immer den ganzen Tag von Vertrauen, und jetzt kannst du mir nicht mal mehr die Wahrheit sagen? Und wieso müssen wir uns hier eigentlich verbarrikadieren wie im Dritten Weltkrieg?«
    »Okay, ich kann dir nichts vormachen. Der Tierschutzverein ist nicht hinter mir her. Und ich handle auch nicht mit Pferden. Sondern mit Dünger.«
    »Mist?«
    »Genau, hab ich auch gesagt. Mist. ›Kuhscheiße?‹, hab ich die gefragt. Aber nein. Anderer Dünger. So ein paar Somalier brauchen das Zeug tonnenweise. Und ich soll es ihnen besorgen. Ich sag’s dir, ich bin voll im Geschäft, Baby. Und die meinen’s ernst, diese Somalier. Die haben Riesensachen mit mir vor. Nennen sich außerdem wirklich die ASPCA, das war nicht gelogen. 64 Ich erzähle dir die Halbwahrheiten doch nur, um dich zu schützen.«
    »Da scheiß ich drauf! Ich glaub dir kein Wort mehr. Mir geht es nur noch um das Label. Es ist zwar unser Projekt, aber mein Name steht auf dem Spiel.«
    Was habe ich mir bloß gedacht? Wo war mein gesunder Menschenverstand? Mein Moralverständnis? Manchmal glaube ich, dass ich so etwas nie hatte. Ich weiß heute, dass ich von meinem eigenen Stolz geblendet war. Erlaubt mir ein Gedankenspiel: Hätte ich mich damals entscheiden müssen, entweder die Stadt vor einer schrecklichen Zeitbombe zu retten oder mein Label – meinen Traum, meine Arbeit, mein Leben – über Wasser zu halten, hätte ich Letzteres getan. 65 So egozentrisch war ich. Aber egal, wie ich damals drauf war, ich bin unschuldig, das schwöre ich.
    »Dann schauen wir uns dein Problem mal an«, sagte Ahmed. »Worüber regst du dich denn so auf?«
    »Ich weiß nicht, an wen ich mich mit der Bestellung vonBarneys wenden soll. Und Ben sagt, Neiman ist auch interessiert. Wir müssen in die Massenproduktion gehen. Und jetzt tu was, verdammte Scheiße!«
    »Eins nach dem anderen, Boy. Du wirst sehen, das ist alles kein Problem. Ich muss nur mal kurz telefonieren, dann ist alles geregelt.«
    »Dann mach. Ruf irgendwen an. Ich hab nur eine Sorge.

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