Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Können wir eine Großbestellung in New York herstellen lassen? Kosteneffektiv?«
»Nix zu machen. Außer vielleicht, wir denken über Kinderarbeit nach. Aber das ist ein riskantes Spiel, da würd ich die Finger von lassen. Wir müssen nach Übersee.«
»Wir müssen es irgendwie hinkriegen, die Kleider lokal herzustellen. Das ist eins der Verkaufsargumente des Labels. Made in New York. In Brooklyn. Auf so was springen die Leute an. Guck dir doch mal American Apparel an. Verdammt noch mal, mit genau der Masche war ich gerade groß in der W . Jetzt seh ich doch aus wie ein Vollidiot.«
»Sei nicht so unvernünftig.«
»Unvernünftig? Ich will bloß nicht als Lügner dastehen.«
»Dafür ist es jetzt ja wohl zu spät.«
»Was soll das denn heißen?«
»Du hast doch hier vollmundige Versprechen gegeben, die du nicht halten kannst. Du verkaufst Kleider, die hergestellt sein sollen, wo sie nicht hergestellt werden können.«
»Willst du mir drohen?«
»Niemals. Unsere Beziehung beruht auf Vertrauen.«
Michelle hatte von Anfang an recht gehabt. Endlich wurde mir klar, dass man Ahmed nicht trauen konnte. Ich hatte ihre Einschätzung missverstanden als Versuch, mich aufzuhalten. Wie blind ich war! Wie stur! Ich hätte es doch sehen müssen! »Ich wurde zu einem Dasein in Bedrängnis erschaffen.« Aber ich schwöre hoch und heilig: Ich konnte mir bestenfalls vorstellen, dass Ahmed mich ausnutzte. Dass er auch anderen etwas antun könnte, kam mir nie in den Sinn.
»Wir müssen nach Übersee, Boy. Das habe ich von Anfang an gesagt.«
»Okay, aber wenn wir das machen, brauche ich Gewissheit, dass wir nicht in Sweatshops produzieren.«
»Du spuckst aber große Töne, Mister Nike Airman.«
»Hör zu, ich mache hier absolute High-End-Mode. Der gute Ruf unserer Produktionsmethoden ist da genauso wichtig wie die Kleider selbst.«
»Ich kann die Produktion in Übersee auf die Beine stellen. Das ist mein Job, Boy. Aber wenn du mir nicht vertraust, können wir das Ganze vergessen.«
»Ich will, dass alles absolut legal abläuft!«
»Baby, ich schwöre bei meinen Kindern.«
»Du hast doch gar keine!«
»Du Zweifler. Na gut, bei meinen ungeborenen Kindern. Möge Allah mich Blindgänger zwischen die Beine ihrer Mutter …«
»Ist gut, du schwörst es mir. Dann mach es auch.«
»Gut zu wissen, dass mein Wort hier doch noch etwas gilt.«
Ich fühlte mich wie ein Flipperautomat, mein Kopf schepperte vor Plänen, die darin hin und her geschossen wurden.
»Komm, iss was«, forderte er mich auf. »Ich mach dir Panini.«
»Hab keinen Hunger.«
»Was dann?«
»Ich hab da was gehört, dass du jemanden anrufen wolltest.«
»Mach ich ja, mach ich ja. Aber nicht von hier, bist du verrückt? Hab dir doch erzählt, dass ich überwacht werde. So wenige Anrufe wie möglich.«
»Dann schreib ’ne E-Mail.«
»E-Mail? E-Mail ist schriftliche Aufzeichnung. Nein. Keine E-Mail.«
»Dann nimm mein Handy. Ach Mist, ich hab meine Minuten schon verbraucht. Na toll. Du machst mich wirklich fertig, Ahmed. Gib mir mal ein Glas Wasser, ja? Ich brauche eine Tablette.«
»Guck doch mal in den Spiegel, Boy. Du bist mager wie ein Fisch.« Er sog die Backen ein, als er mich ansah, der Drecksack. »Schau mich an. Ich nehme Vitamine. Und wenn mich etwas stört, dann kümmere ich mich darum. Alte Sorgen sind wie Geschwüre. Und deshalb bist du so krank, Boy.«
»Ich kümmere mich ja! Deshalb bin ich hier. Du machst mir Sorgen.«
»Ach, jetzt krieg dich mal wieder ein! Ja, ich weiß. Ich war nicht für dich da und das hat dich verletzt. Aber denk doch mal darüber nach, was da vorne in der Kammer liegt.« Ahmed fasste mich an der Schulter und zeigte über das Meer aus blauer Abdeckplane. »Mit der Sache hier verdiene ich ein Vermögen. Und du siehst hier nur die Spitze des Eisbergs. Wenn ich den Somaliern erst mal gezeigt habe, was ich kann, sehen wir das richtig große Geld. Damit können wir deine Kleider die nächsten zehn Saisons herstellen, verdammt noch mal!«
Der Preis des Erfolgs hatte mich schon seit einigen Tagen beschäftigt. Jeder Penny unseres Grundkapitals war von Ahmed gekommen. Er war der Zauberer, der die Fäden zog. Meine Miete, mein Gehalt – alles verdankte ich ihm. Ich kann kaum glauben, dass ich damals übersah, was heute so sonnenklar ist. Ich war nicht zufällig auf einen Risikoanleger gestoßen, der es mal in der Modebranche versuchen wollte. Sondern auf einen Intriganten, einen Lügner und Betrüger. Er führte etwas
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