Bekentnisse eines möblierten Herren
Nur manchmal Sie hatte die Tür erreicht, er mußte öffnen.
»Ich wollte, ich hätte auch so eine Tante«, sagte er dümmlich.
Sie lachte, schritt aber unaufhaltsam hinaus.
»Auf Wiedersehen.«
»Auf Wiedersehen. Ich werde mich bemühen... Moment bitte. Wie... wie kann ich Sie denn erreichen?« Sie drehte sich noch einmal um.
»Steht alles in der Mappe. — Vielen Dank.«
Und zum erstenmal sah er ihren Gang.
»Hallo, hier ist Dornberg. Kann ich bitte Prinzessin Reiffenstein sprechen? — Ach, Sie sind es selbst! — Wie bitte? — Ja, ich war im Verlag und... ich glaube, die sind interessiert. — Wie bitte? — Nein, nein, aber das, worauf es ankommt, das sieht man doch sofort! Der Strich ist sicher, die ganze Auffassung... nur das Wesentliche hervorgehoben. — Doch, doch, die waren richtig angetan! — Ja, ja, man müßte natürlich sehen, was Ihnen einfällt, wenn Sie ein festes Thema haben. Ich mache gerade einen Bucheinband für denselben Verlag. Wenn Sie das Manuskript mal lesen wollen und vielleicht ein paar Skizzen dazu machen? — Jederzeit. Ich weiß natürlich nicht, ob der Verlag schon Zeichnungen dafür hat — wahrscheinlich aber wir hätten doch etwas Spezielles vorzulegen. Und wenn Ihre Zeichnungen zufällig besser sind als die... — Wie bitte? — Ja, Ja, ich bin da Optimist! Nein, ganz ehrlich. — Hm — Ja. — Hm. — Hier wär’s natürlich am praktischsten. Ich weiß ja ungefähr, was die wollen — Wie bitte? — Gut, ich erwarte Sie morgen nachmittag um halb vier. Wiedersehen!«
Hubert kam schon um halb sieben. Havannaumwölkt saß er im Sessel, während Lukas ein weißes Hemd anzog.
»Ich bin dir unendlich verbunden, an diesem Abend teilnehmen zu dürfen.«
»Würdest du deine Ironie bitte etwas deutlicher fassen?« antwortete Lukas.
»Solche Lebensgemeinschaften von Damen mit künstlerischen Ambitionen und Hunden sind sehr reizvoll zu beobachten. Besonders für uns Nichtesoteriker.«
Lukas, gerade damit beschäftigt, altmodische Manschettenknöpfe durch schief umgeschlagene, gestärkte Manschetten zu treiben, ließ ihn reden. Er dachte an den gestrigen Abend, an das Händel-Konzert, das er mit Marie-Luise besucht hatte, und bedauerte seine Verabredung mit Hubert. Doch vielleicht war es besser so. Er wußte ja selbst nicht, was ihn hier erwartete.
»Fertig«, sagte er. Sie gingen hinüber.
Die Atmosphäre, mittels eines japanischen Lampions von lila Farbe und den unvermeidlichen Rauchstäbchen allen konventionellen Gepflogenheiten entrückt, erhielt durch Almas wallendes schwarzes Kleid eine zusätzliche, schöngeistige Note. Aufrecht, hochgeschlossen, mit weiten Ärmeln, erinnerte sie an das Plakat der Jane Avril von Toulouse-Lautrec.
Sie waren die ersten. Auch Gustl fehlte. Hubert wurde auf die Couch gebeten und pflegte zurückhaltende Konversation mit seiner Gastgeberin, die sich über sein Präsent, ein kleines Bändchen Negerlyrik, gar nicht beruhigen konnte. Lukas inspizierte inzwischen — nach höflicher Anfrage, ob es denn auch gestattet sei — die überall herumstehenden und hängenden Musikinstrumente, Trommeln, Flöten, Klappern, Tempelblocks und Bronzegongs.
»Ich halte es einfach für wichtig«, vernahm er Alma im Hintergrund, »daß es noch Menschen gibt, die versuchen, sich ganz auf ihre Art auszudrücken. Natürlich werden das immer nur kleine Gruppen sein. Aber wenn es überall solche Zellen gibt, können sie eines Tages zusammenwachsen und erneuernd wirken. Finden Sie nicht auch?« Hubert nickte gütig.
»Sehen Sie, seit sechs Jahren, seit ich mit der Baronin zusammen lebe, haben wir hier ein Studio. Es kommen Tänzer, Schauspieler, junge Leute, und dann musizieren wir auf diesen Instrumenten, malen und tanzen mit ihnen. Sie glauben gar nicht, wie beglückend es ist, zu beobachten, wie diese Menschen zu sich selbst finden. Ganz langsam, ganz im unbewußten Raum. Wie sie lernen, sich auszudrücken, sich zu verwirklichen. Die Baronin gibt auch Laienkurse für Hausfrauen mit Entspannungsübungen nach Grundsätzen des Yoga.«
Lukas studierte die Buchrücken:
Taoteking; Laban: Mensch und Werk; Chesser: Liebe ohne Furcht; Yoga für jedermann-, Tanz und Gymnastik; Mathilde Ludendoiff; Mensch im Kosmos; Atmen wir richtig ?
Gustl trat ein, wie immer in Hosen und Kutscherkittel, hinter ihr eine fahle Undine, das glatte blonde Haar offen über den Rücken gegossen, und ein kahler rundlicher Mann mit unordentlichem Denkerkragen und romantischen Basedowaugen
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