Bekentnisse eines möblierten Herren
Posenwechsel ihrer entfesselten Innereien Herr zu werden, mißlang es immer häufiger. Alma schnaubte inzwischen pausierend auf dem Korridor. Das Neutrum nutzte den Augenblick und lief gurgelnd hinaus.
In der Nachbarwohnung wurde das Telefon wieder eingehängt. Die Sache schien klar. Oben zog der Kranke den Stöpsel heraus und ließ das Badewasser ab. Alma kehrte zurück, in schwarzseidenen langen Hosen und einer kasackähnlichen Bluse.
»Ahnen!« konferierte Gustl.
Auch dieser Ausdruckstanz wurde wieder in der Hocke angeheizt, wenngleich nicht so lange wie vorhin. Alma schien Schreckliches zu ahnen und hüpfte alsbald in Kniebeuge mit gespreizten Armen umher, wie ein straf-exerzierender Rekrut, wobei ihr heftiges Schnauben verriet, daß sie immer noch nicht in Trance gelöst war. Die Badewanne des Kranken hatte einen ausgezeichneten Abfluß. Laut strudelnd und schnorchelnd spiralte sich das heilende Naß in das enge Rohr. Ein bösartiger Husten erscholl.
Hat der Mann etwa kalt geduscht? dachte Lukas. Alma balancierte indessen auf einem Unterschenkel. Und da kam auch noch die Funkstreife! Mit lautem Sirenengeheul raste die wissende Polizei an der ahnenden Alma vorbei; hier ein steriles Lächeln um den Mund, dort ein vergifteter Dolch im Rücken — bunt, wie das Leben. Und synchron mit dem lauten Zutzeln des letzten Liters aus der Wanne endete die Ahnende in zuckender Wonne. Tiefe Ergriffenheit, applausloser Stellungswechsel. Der Lampion verlöschte, die Kerze in der persischen Kugel warf mystische Schatten ringsum,- der Molch zelebrierte die »Mitte«.
Eine schwarze Tafel auf der kleinen Staffelei, mit Kreide bekritzelt, vermittelte das Bild der menschlichen Seele in graphischer Sicht. Ein breiter Strich als Grundlinie kennzeichnete das Bewußtsein, den Willen, den Intellekt. Darüber wölbte sich die äußere, darunter die innere Welt. Fünf Stufen in die Tiefe des Unbewußten bei nur zweien in die Höhe — eine urdeutsche Metapher. Als Souterrain des Wesens stellte der Molch die »pneumatische Welt« vor. Ihr folgten im zweiten Untergeschoß die »animalische«, im dritten die »vegetative«, im vierten die »mineralische« und im fünften die »okkulte Welt« des Instinkts.
»Aus diesen Tiefen«, so sagte der Adept, »steigt das Schöpferische durch die Bewußtseinsschicht in die beiden Stufen der äußeren Welt auf, die da sind: i. die empirische Welt, 2. die okkulte Welt. Biegen wir nun die Stufenleiter zu einem Kreis und schließen die beiden Enden, die untere und die obere »okkulte Welt« also, mit einem breiten Verschlußstück. Dieses Verschlußstück ist die Transzendenz, das Unfaßbare.«
Lukas sah zu Hubert hinüber, der mit großem Interesse seine Zigarre betrachtete.
»Die enge Welt der Gerechtigkeit bewegt sich auf der Mittellinie von Bewußtsein — Wille — Intellekt. Die weite Welt geht in die Tiefe, das heißt, sie bleibt nicht im Intellekt stecken. Hier gibt es nun folgende Möglichkeiten: Der Yogi versucht den Willen durch das Pneuma, den Atem, zu vertiefen; er drückt hinunter, anstatt aufsteigen zu lassen. Der Brahmane dagegen strebt über den Intellekt in die Tiefe, kommt aber dabei nicht über die erste Stufe, die pneumatische Welt, hinaus.«
Wenn ein Christ Yoga übt, wird’s also brahmanisch — wenn überhaupt! dachte Lukas.
»Tiefer reicht das Nirwana, das Nichts-mehr-Wollen; am tiefsten aber »Ananda«, die Erleuchtung. Und darauf kommt es an!«
Nach dieser graphischen Reproduktion mußte der Meister ruhen. Lichtwechsel. Der Lampion löste die persische Kugel ab. Die Beschenkten begaben sich ins Foyer. »Schau dir das an!« flüsterte Hubert in Lukas’ Ohr und blinzelte durch den Türspalt.
Mit säuberlich über die Kante ragenden Schnürstiefeln lag der Adept auf der Couch, das kahle Haupt in den psychologisch unterwanderten Schoß seiner Undine gebettet. Sie hielt ein Glas Wasser in der Hand, um es ihm auf Zeichen zum Munde zu führen.
Peter und Ines traten heran.
»Na, ist doch hoch interessant«, sagte Peter voller Stolz. »Das ist es«, erwiderten Hubert und Lukas.
Ines warf einen zweifelnden Blick auf die beiden und bog das Thema ab.
»Habt ihr schon gehört, was Pauli vorhat? Ein Bekannter von ihm fährt nach Skandinavien und stellt ihm sein Haus zur Verfügung. Draußen am See. Pauli will uns alle für vierzehn Tage einladen.«
»Nicht schlecht. Wo’s um diese Zeit überall so voll ist.«
Lukas sah sich schon mit Marie-Luise beim Segeln. Hubert sagte
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