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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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vor dem Ziel ihr Schweigen, »aber es wäre gut, wenn du Mamachen einen Handkuß gäbst.«
    »Zu schade, ich hatte mich gerade auf das linke Ohr festgelegt.«
    Abermals traf ihn ein Blick von gouvernantenhafter Strenge.
    »Genügt es, wenn ich »Frau Prinz« sage?« fragte er amüsiert.
    »Untersteh dich! Du sagst selbstverständlich »Hoheit«.«
    »Hoffentlich kann ich das alles behalten. Du kennst ja meine Schwäche für peinliche Situationen.«
    Noch immer verstand sie nicht oder wollte nicht verstehen. Stolz gereckt saß sie da und forderte ihn damit nur noch mehr heraus. Er hielt an.
    »Was ist denn jetzt schon wieder?«
    »Ich muß mal pinkeln, wie der Lateiner sagt.«
    »Sehr witzig!« antwortete sie pikiert.
    »Dein Vater hätte mich sicher besser verstanden«, sagte er, des Toten wie des Gefrorenen eingedenk. Dieser Hinweis tat ihr sichtlich gut, der Rest der Fahrt verlief in relativer Harmonie. Sie passierten den kleinen Bahnhof, auf dem er sie damals abgesetzt hatte, und wiederholten sogar den Kuß. Bald darauf verließen sie die Straße und staubten auf schmalen Schlängelwegen durch ungemähte Wiesen, bis sich nach einer Kuppe ein unerwartetes Panorama erschloß. Der Weg führte hinunter in eine bewaldete Mulde, hinter der sich ein breiter, flacher Hügel erhob. Da stand es, mit zehn Fenstern Front, von vier Ecktürmen flankiert: das Schloß. So groß hatte es sich Lukas doch nicht vorgestellt.

    Der Weg wand sich in engen Kehren zwischen Fichtenstämmen hinauf. Kurz vor der Höhe gabelte er sich. Lukas bog nach links ein.
    »Halt. Nach rechts. Wir wohnen im Kavalierhaus.« Leicht enttäuscht ließ er das Lenkrad zurücklaufen. »Und was ist im Schloß?«
    »Eine Besserungsanstalt.«
    Nach dieser Eröffnung verzichtete er auf die billige Pointe, die sich anbot. Noch eine Kurve im Gehölz, das Wäldchen war zu Ende. Vor ihnen stand in den Ausmaßen eines ländlichen Pfarrhofs ein zweigeschossiges Haus mit Mansardendach.
    »Halte vor der Treppe«, sagte Luischen.
    Im Ausrollen versuchte er, ihr noch einen Kuß zu geben, aber sie war schon zu Hause.
    »Und sag hier bitte Sie zu mir!«
    Lukas wollte etwas antworten, doch da wurde die Haustür geöffnet, ein Schäferhund stürzte heraus.
    »Der gute Hasso!« rief Luischen in leicht manieriertem Ton. Ausgiebige Begrüßung mit Pfötchengeben, Steinchenwerfen, Küßchen hinter Öhrchen und jenem albernen, einseitigen Dialog, der Hunde mit Recht so nervös macht.
    »Ja Hasso! So eine Freude! Freust du dich denn, daß Frauchen wieder da ist, ja? Gib schön Pfoti! Schön Pfoti! Ja gib! Gib! So ist’s brav! Wo ist der Stein? Wo ist der Stein? Ja such! Schön such! Wo ist der Stein? So ist’s brav! Ein braver Hund!«
    Langsam kroch Lukas aus dem Wagen, kämmte sich und zog seine Jacke an.
    »Darf ich dem Herrn behilflich sein?« sagte eine Stimme hinter ihm. Er drehte sich um und sah in ein gütiges altes Gesicht mit respektabler Faltensammlung.
    »Das ist Robert«, zwitscherte Luischen über den Wagen.
    Lukas streckte ihm die Hand entgegen. Robert stutzte. Die Konfrontierung mit der Gegenwart kam zu plötzlich. Erst als Lukas ihm aufmunternd zulächelte, schlug er ein.
    Damit war der erste Kontakt hergestellt, Lukas reichte das Gepäck heraus, und Robert brachte es ins Haus. Er hatte volles weißes Haar, trug eine Dienerweste mit schwarzen Ärmeln sowie eine dunkle Schürze voller Spuren, die Aufschluß über seine vielseitige Verwendung gaben. Sein Kopf mit den großen Ohren und melancholischen Augen glich dem eines Cockers, die Abmessungen seiner Hände verrieten gereifte Hilfsbereitschaft. »Kommen Sie, Herr Dornberg«, sagte Marie-Luise fremd. Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, schritt sie ins Haus. Kurzer Gang mit Steinboden, Glastüre, Diele durch beide Geschosse gehend. Der Raum lag im Halbdunkel schwerer Holztäfelung. Nur durch das matte Glasdach drang ein lustloser Sonnenstrahl ins Innere. An den Wänden, in Rüstungen, Uniformen und prächtigen Roben die lebensgroßen Bilder der Ahnen. Neben der Treppe ein riesiger Spiegel in schwerem Goldrahmen voll gipserner Engelchen, die mit kurzen, fetten Armen Girlanden stemmten, wie Bauernmaiden beim Schmücken des Wirtshaussaals.
    »Wenn sich der gnädige Herr erfrischen möchte.« Robert wies auf eine schmale Tür. Lukas nickte und wusch sich die Hände. Als er zurückkam, stand Marie-Luise vor dem Spiegel und zupfte sich zurecht; Robert wartete ergeben.
    Rechts ein Renaissance-Schrank mit

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