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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Gedämpfte Ausrufe des Entzückens wurden laut. Der Familienstolz brach sich Bahn, Wanda inbegriffen.
    »Ist sie wirklich so begabt?«
    »Zweifelsohne. Sie sieht gut, erfaßt schnell und hat einen klaren, sehr eigenen Strich«, lobte Lukas, seine Stellung damit verbessernd.
    »Wie Sie das sagen«, erblühte Tante Friederike an seiner Seite, »Sie sind sicher selbst Künstler.«
    »Nun ja...«
    »Weiß der Himmel, wo sie das herhat«, ereiferten sich Hoheit. »Jedenfalls ist mir eine Betätigung in dieser Richtung lieber als etwas anderes. Mädchen müssen eine Beschäftigung haben heutzutage, wenn auch nur vorübergehend. Ich denke da ganz modern!« Lukas verstand und lächelte höflich. Tante Friederike war indessen noch ganz beim heiteren Künstlervölkchen.
    »Zeichnet ihr auch nach Modell? Ich meine...«
    »Natürlich. Das ist sogar das wichtigste«, antwortete Marie-Luise. Darauf brachen Hoheit das Thema ab und kamen auf die Verwandtschaft zu sprechen. So erfuhr Lukas, daß Henning-Erdmann auf einer Treibjagd erfolgreich gewesen; wohin Birgitta-Sybilla ihren Sohn Weigo geschickt und wie Paul-Eitel das Geld für die Renovierung seines Schlosses zusammenbekommen. Tante Friederike lobte die Erziehung des Infanten, die Aussteuer der Marchesa Gabriella und die Beisetzungsfeierlichkeiten für Fürst Fritz-Philip. Onkel Karl-Eugen zeigte alte Illustrierten mit den Bildberichten von der Taufe seines Patenkindes, der Markgrafentochter Antoinette. Lukas betrachtete das große Gruppenfoto. Rechts vom Steckkissen in der alten Marineuniform Onkel Karl-Eugen mit vollem Ordensschmuck, links davon Tante Friederike in Atlas mit breitem Ordensband. Daneben und dahinter der ganze Inzuchtkomplex. Von diesem höfischen Stelldichein kamen Onkel und Tante gerade und befanden sich, wie er weiter erfuhr, just auf dem Wege zur Hochzeit Hortwarts Schenk von Kladdenfels mit Albertine-Constantine Edle zu Schlinz-Poppe-Sippenburg; von dort plante man noch einen Abstecher zum Geburtstag der Grande-Duchesse Thérèse. Nach dieser Eröffnung schimpfte Onkel Karl-Eugen auf Ahnfried, den Sportwagenfahrer, der sich — nach Aussage von Klaus-Detlef — mit einem Fotomodell eingelassen habe, das er unbedingt heiraten wolle. Lukas lächelte in Erinnerung an Gracia-Bikinia zu Marie-Luise hinüber. Sie übersah ihn jedoch abermals.
    »Tun wir ein paar Schritte unter Männern«, forderte ihn Onkel Karl-Eugen auf, als Robert mit dem Tablett kam, um abzudecken. Die Damen blieben, ausreichend mit Gesprächsstoff versorgt, zurück.
    »Ist das Ihr Wagen?« Onkel Karl-Eugen klopfte mit dem Spazierstock auf die Stoßstange. Lukas bejahte.
    »Ich habe die Dinger nie gemocht. Wissen Sie, wenn man so lange wie ich zur See gefahren ist, hat man für Fortbewegungsmittel auf dem Lande wenig übrig. Nehmen wir Kurs aufs Schloß.«
    Der Weg führte in schnurgerader Linie durch ein kurzes Waldstück genau auf den vorderen, linken Eckturm zu. Lukas versuchte eine Einstellung zu Marie-Luises Verhalten zu finden, indes Onkel Karl-Eugen nach ein paar Höflichkeitsfragen, auf die sich der raschen Aufeinanderfolge wegen jede Antwort erübrigte, mit der rigorosen Zielstrebigkeit des Altersstarrsinns sein Lieblingsthema ansteuerte.
    »So eine Kameradschaft wie bei der Marine gab’s nirgends mehr. Da kannte jeder jeden.«
    »Ich habe auch einen Verwandten, der bei der Marine war.«
    »So. Wie heißt er denn?«
    »Mayer.«
    Der alte Herr mußte husten.
    »Na ja, jeden kann man natürlich nicht kennen. Ich meinte auch mehr auf demselben Schiff. Da allerdings haben wir eisern zusammengehalten. Ich habe früher zu meinen Männern immer gesagt: Männer, habe ich gesagt, nichts schweißt Menschen so sehr zusammen wie ein Schiff! Weil ein Schiff selbst zusammengeschweißt ist. Hier auf den paar Quadratmetern deutscher Erde aus Planken und Stahl ist jeder auf die Zuverlässigkeit, die Treue und Pflichterfüllung des anderen angewiesen. Der Dienst auf See ist hart. Aber er ist schön. Der beste Mann ist da gerade gut genug. Doch, wie schon Friedrich der Große sagte: »Wer nicht geschunden wird, wird nicht erzogen!« Und deshalb sind wir stolz. Hier gibt’s kein Hinten, hier gibt’s nur Vorn. Hinten ist nur die Schraube, doch wohin treibt sie uns? Nach vorn! Wo wir auch stehen mögen, im Atlantischen, im Pazifischen oder im Indischen Ozean, wir stehen für Deutschland. Und wo wir auch sinken mögen, da sinken wir für Deutschland. Und wenn da mal der innere Schweinehund aufkommt und

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