Bekentnisse eines möblierten Herren
uns weismachen will, unsere Treue wäre sinnlos, dann machen wir das Schott dicht, denken an unsere Brüder und Schwestern in der fernen Heimat, spucken in die Hände, und dann immer feste druff! Solange noch die Nase aus dem Wasser ragt, wird gehorcht. Denn die Fahne ist das Unterpfand der Treue! — Hab’ ich immer gesagt.«
Onkel Karl-Eugen, der bei der »Fahne« stehengeblieben war, schritt seitlich weit ausgreifend weiter, wie bei Windstärke zehn. Kein Zweifel, er befand sich an Bord. Jetzt blieb er wieder stehen und sah Lukas durchbohrend 3 n. Ihm war klargeworden, daß er sein Vermächtnis der kommenden Generation vermittelt hatte. Und das war gut!
»Sind Sie Jäger?«
Lukas verneinte.
»Ich auch nicht. Bei Treibjagd interessiert mich nur der strategische Teil, das Einkreisen. Auf ein Tier schießen könnte ich nicht.«
»Na, ihr beiden Hübschen?« rief eine Stimme. Sie blickten nach oben. Aus einem Turmfenster grinsten drei sichtlich schwererziehbare Mädchen. Onkel Karl-Eugen ruderte mit dem Spazierstock. Die Mittlere hatte sich aufgerichtet und begann ihre Bluse aufzuknöpfen. »Wollt ihr mal was Schönes sehen?«
Die beiden anderen kicherten. Onkel Karl-Eugen begab sich in Haudegenstellung und blinzelte verschmitzt hinauf, wie ein hoher Offizier, der vor versammelter Mannschaft zeigt, daß er auch kein Unmensch ist. Als er jedoch bemerkte, daß Lukas ihn beobachtete, machte er kehrt. »Und so was in unserem Schloß! Schrecklich, wie? Ja: Da liefen wir doch mal einen afrikanischen Hafen an. Na, diese schwarzen Weiber... also wissen Sie...«
Die Besserungsbedürftigen grölten hinterher; in Lukas aber rundete sich das Bild eines aristokratischen Militärs.
Robert brachte ihn hinauf.
»Wenn der gnädige Herr einen Wunsch hat, bitte ich hier zu ziehen.«
Er wies auf ein rotes Samtband, das neben der Tür herunterhing. Lukas nickte, der alte Diener strebte rückwärtsgehend hinaus.
»Und dunkler Anzug, wenn ich daran erinnern darf. Das Abendessen ist um acht.«
Lukas setzte sich auf das barhockerhohe Bett.
»Warum bin ich nur ‘raufgegangen und nicht mit dem Alten in die Bibliothek? Aber dieser Robert hat mich ja regelrecht abgefangen. War wohl so angeordnet. Von Luischen? Vielleicht kommt sie gleich?«
Er sah sich um.
»Tannenholzkommode, Waschschüssel mit Krug. Und der halbblinde Ovalspiegel darüber im schweren Goldrahmen. Ich kann bald keine Goldrahmen mehr sehen! Weißgestrichener Schrank mit schwarzen Füßen — Domestikenmöbel! FIm, sogar ein Stuhl. Über den Teppich sind auch schon Generationen von Füßen gegangen — und von Motten. Ein Regulator! Was haben sich die Leute damals nur gedacht mit den vielen Türmchen und gedrehten Knöpfen? Sieht aus wie aufgeklebte Schachfiguren. Kein Tisch. Nur Nachttisch. Und diese Lampe! Trostloser Nachtwächter lebenslänglich ungeschändeter Gouvernanten! Und dieses schwarze Bett! Sterbesessel für Steilschläfer.«
Sein Blick fiel auf das Bild darüber.
>Wer ist denn das? Hebe. Hm. Wie man zur Zeit Robert Kochs die Antike sah. Göttin der Jugend, soviel ich mich erinnere. Eines der wenigen ehelichen Kinder des Zeus. Was anderes kommt ja hier auch nicht in Frage — fast ein Pendant zu der Edda bei Zierholts. Da war’s bei denen aber gemütlicher! Übriggebliebenes Inventar einer Dienstbotenkammer. Soll das eine Klassifizierung sein?<
Er stand auf und trat ans Fenster.
Durch den schütteren Tann lugte ein kleines Dorf, dicht an den auf dieser Seite viel steileren Hang geschmiegt. Das Gefühl, Menschen in der Nähe zu wissen, tat ihm wohl. >So habe ich mir die Vorstellung bei der Mutter meiner Zukünftigen immer vorgestellt. Luischen kommt wohl nicht mehr.<
Er nahm ein Buch aus seiner Reisetasche und legte sich aufs Bett.
>Unterordnen kommt bei dieser Behandlung nicht in Frage. Wenn ich schon nicht akzeptiert werde, wie ich bin, werde ich so dagegen sein, daß sie nichts dagegen machen können. Ich spiele den Künstler! Auf diese Weise bekommt auch mein falscher Anzug noch Charme... Das ist die einzig mögliche Rolle hier!<
Er legte sich bequem zurecht, schlug das mit dem Nobelpreis gekrönte Werk auf und setzte seine bisher erfolglosen Studien, nach welchen Gesichtspunkten diese Auszeichnung verliehen wird, erfolglos fort.
Zuerst glaubte Lukas, es sei Absicht von ihr gewesen, daß sie fast gleichzeitig mit ihm auf den Gang hinaustrat. Sie trug ein dunkelblaues Moirekleid.
»Ich dachte, du würdest mich mal besuchen?«
Er griff
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