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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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»Ja, was hat er gesagt«, wiederholte er genießerisch. »>Dreimal verflucht sei der, der als erster geheiratet hat!<— zum Beispiel.«
    Onkel Karl-Eugen lachte wie eine knarrende Diele; Hoheit unterbrachen die Nahrungszufuhr.
    »Find’ ich aber gar nicht komisch«, tadelte Marie-Luise, ganz im Sinne ihrer Mutter.
    »Vor allem nicht amourös«, schloß Tante Friederike enttäuscht. Robert schlich herein, als Lukas fortfuhr: »Aber ja doch! Der Satz richtet sich nur gegen die Ehe, von Liaison sagt er kein Wort.«
    Es entstand eine Pause. Das mußten die harten Zwerchfelle erst verdauen.
    »Donnerwetter«, entfuhr es Wanda. »Das haben Sie aber raffiniert durchdacht.«
    Hoheit waren fertig und erhoben sich brüsk. Lukas starrte bei vorbildlicher Löffelhaltung auf den silbernen Satzteller: Der Pudding war weg.
    Man begab sich zurück ins Kaminzimmer. Ohne nach den Wünschen ihrer Gäste zu fragen, holten Hoheit ein Kartenspiel aus der Schublade und reichten es Wanda zum Mischen. »Setz dich bitte, Karl-Eugen. Marilou, du spielst mit mir zusammen.«
    »Kennen Sie Whist?« fragte die Tante verbindend.
    »Nein. Ich kann nur Bauerntarock.«
    »Bauerntarock! Herrlicher Witz! Großartig!« senilisierte der Onkel.
    »Dann können Sie allerdings nicht mitspielen, Herr Dornberg«, sagte Marie-Luise, den verschlafenen Hasso streichelnd.
    »Ich werde Zusehen. Man lernt nie aus.«
    Er zündete sich eine Zigarette an, nahm im Ohrensessel der Ahnfrau Platz und beobachtete das Standesherrenidyll in der Klubgarnitur. Sein Magen meldete sich. Wie komme ich auf vornehme Weise an etwas Eßbares? — Das Dorf!
    »Kann man hier in der Nähe tanken?« fragte er. »Drunten im Dorf. Den Weg, den wir gekommen sind, zurück und nach dem Wald links«, gab Marie-Luise Auskunft. Sie schien weitere Peinlichkeiten zu fürchten. »Danke! Dann werde ich das tun. Sonst vergesse ich es noch...«
    »Wir frühstücken um acht. Um neun ist Kirchgang«, sagten Hoheit, ohne aufzusehen.
    »Um acht. Gute Nacht!«
    »Sehr amüsant, dieser Herr Dornberg«, bemerkte Tante Friederike, als er weg war.
    »Ja, sehr amüsant«, pflichtete Onkel Karl-Eugen bei, »und äußerst klug. Wir waren völlig einer Meinung.«
    »Du bist dran!« bedeuteten ihm Hoheit.
    »Pardon, meine Liebe.« Er warf eine Karte ab.
    Auch Wanda zehrte noch von der Anregung, die sie durch Lukas empfangen hatte.
    »Irgendwie erinnert er mich an den Prinzen selig, wenn ich so sagen darf; seine Nonchalance...»
    »Und die Schlagfertigkeit«, unterbrach Tante Friederike.
    Hoheit waren gerade an der Reihe und konnten nicht gleich antworten.
    »Heißt er nun eigentlich von Dornberg oder nur Dornberg?«
    »Nur«, antwortete Marie-Luise.
    »Na ja...«

    Lukas verzehrte schon die zweite Portion Gulasch, als Robert eintrat. Der alte Diener grüßte ehrerbietig und strebte dem Tisch in der Ecke zu.
    »Wollen Sie sich nicht zu mir setzen?« forderte Lukas ihn auf. Kurzes Zögern, dann nickte er und nahm umständlich Platz.
    »Wenn’s den Herrn nicht stört...«
    Er bestellte einen Wein, und Lukas griff wieder zur Gabel.
    »Ich hatte noch Appetit, wie Sie sehen.«
    Robert lächelte gequält-verständig. Die Maid brachte den Schoppen; es entspann sich ein schleppendes Gespräch. Robert blieb äußerst wortkarg, offenbar fürchtete er, sein Gegenüber habe ihn nur an den Tisch gebeten, um ihn auszuhorchen. Doch Lukas zerstreute seine Bedenken, mied die Klippen der Tagesereignisse und der Familie, erzählte aus der Stadt, lobte die Schönheit der Gegend und die Qualität des Gulasch. Langsam taute der Alte auf. »Früher bin ich auch manchmal hier gesessen mit Prinz Ernst-August selig«, verkündete er stolz, und ein breites Strahlen erhellte die Furchen seines ehrlichen Gesichts. Lukas antwortete nicht, sondern überließ ihm die Weiterführung des angeschnittenen Themas. Es war gemütlich in der rauchigen Stube.
    »Jaja, der Prinz«, fuhr Robert fort, das Glas bedächtig in der riesigen Hand drehend. »Seit drei Generationen dient meine Familie bei denen von Reiffenstein. Früher, als wir noch im Schloß waren, da ging’s oft lustig zu, tags wurde gejagt, abends getanzt, der Prinz war ein äußerst großzügiger Gastgeber, gütig, immer freundlich und doch Respektsperson. Und in der Forstwirtschaft, da hat ihm keiner was vorgemacht. Ich war eigentlich am meisten mit ihm zusammen, weil ich auch seinen Wagen fuhr.« Seine melancholischen Hundeaugen bekamen einen heiteren Glanz. »Und dann hat er also zu mir

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