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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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nach ihrer Hand.
    »Nicht jetzt.«
    Sie machte sich los.
    »Gut, dann später.«
    »Wo denkst du hin? Bitte, sei vernünftig!«
    Sie gingen die Treppe hinunter.
    »Dazu hatte ich bereits anderthalb Stunden Gelegenheit, den Spaziergang nicht mitgerechnet.«
    Ein Blick der Empörung traf ihn.
    »Dein grauer Anzug ist unmöglich!«
    »Ich wirke eben nur durch dich.«
    Marie-Luise hatte bereits die Zimmerpalme passiert und wollte gerade eintreten, als er ihr die Hand auf den Arm legte.
    »Und sag bitte nicht Purzel zu mir, wir sind per Sie!«

    Hoheit — schwarzes Kleid, kurze ein-, zwei-, drei-, vier-, fünffache Perlenkette — saßen mit Hasso bei Fuß wie die wachende Ahnfrau in einem großen Ohrensessel vor dem Kamin. Marie-Luise schritt, mit Lukas hinter sich, nur zögernd auf sie zu.
    »Wo sind denn Onkel und Tante? Ist es noch nicht acht Uhr?«
    Lukas hatte sich vorgenommen, erst bei passender Gelegenheit auf seinen Anzug hinzuweisen, der kalte Blick aus Hoheits grauen Augen jedoch zwang ihn zu sofortigem Angriff.
    »Ich bitte meine sportliche Note zu entschuldigen. Schwarz ist für mich beruflich keine Farbe... dadurch habe ich auch privat keine Beziehung dazu«, schwafelte er, ganz Künstler. Hoheit nickten voll duldenden Hochmuts. Das war ihm zuviel.
    »Und Sie haben mich noch eigens daran erinnert!« wandte er sich an Marie-Luise, »gestern abend im Konzert.«
    Flehender Blick. Hoheit horchten auf.
    »Konzert?«
    »Ja«, lächelte Lukas im Ton des satten Kunstkenners, »Brahms, Tschaikowsky! Klang etwas sommerlich...« Hoheits Augen wanderten prüfend zwischen ihm und ihrer Tochter hin und her. Er genoß es, sie ahnen zu sehen, und fuhr fort: »Da war der Beethoven letzten Freitag besser.«
    In Hoheits Mutterbrust rangen Befürchtung und Gewißheit.
    »Mir scheint, du gehst sehr viel ins Konzert, Marilou.« Die Tochter zuckte mit den Schultern und blickte zu Boden. Lukas war nicht mehr zu halten.
    »Ja, und ins Theater natürlich. Sie können stolz auf Ihre Tochter sein, Hoheit. Ihre Interessen unterscheiden sich wohltuend von denen ihrer Kolleginnen auf der Akademie.«
    Hoheit waren drauf und dran, die Fassung zu verlieren. »Interessant! Was sagt denn Tante Josephine dazu?« Marie-Luise wußte keinen Ausweg mehr.
    »Oh... die geht auch manchmal mit«, sagte Lukas in einem Ton, als kenne er die Tante seit zwanzig Jahren.
    Sein Blick schweifte zu dem Bild über dem Kamin. Da saß — ausnahmsweise nicht im Goldrahmen — ein untersetzter Mann im Jagddreß, mit lustigen Augen, lebensbejahendem Mund und großem Schnurrbart. Hoheit verfolgten sein kennerisches Mienenspiel.
    »Marie-Luises Vater?« fragte er.
    Hoheit nickten.
    »Das muß ein sehr humoriger Mann gewesen sein.«
    »Allerdings!« versetzte sie. Und zum erstenmal an diesem Tag verriet ihre Stimme ein Gefühl. Wenn auch nicht unbedingt das edelste.
    Wanda nahte mit der Verwandtschaft. Man wechselte über in die Klubgarnitur. Lukas stand noch vor dem Bild.
    »Gemein, mich so zu verkaufen«, flüsterte Marie-Luise, während sie einen Aschenbecher vom Kaminsims nahm.
    »Wer verkauft hier wen, Liebling?«
    »Es ist angerichtet«, meldete der wiederum weißbehandschuhte Robert. Tapetenwechsel vom Konglomerat zum reinen Empire.
    Die Tischordnung blieb wie gehabt. Lukas verströmte Aufmerksamkeiten nach beiden Seiten. Zuerst rückte er Tante Friederikes Stuhl zurecht, dann den der erstaunten Wanda. Der Aufwand an Meißner und schwerem Silber, mit Wappen und Krone verziert, ließ auf ein mehrstündiges Souper schließen. Robert nahte mit einer riesigen Silberplatte, die er in faschistischer Grußhaltung hereinbalancierte. Darauf befanden sich sechs verschüchterte Sardellenbrote, jedes mit zwei Kapern bestückt.
    »Es ist nicht gesund, abends zuviel zu essen!« kommentierten Hoheit.
    Tante Friederike richtete das Wort an Lukas.
    »Sie haben vorhin das Bild meines verstorbenen Bruders so kritisch betrachtet. Was halten Sie davon? Sie sind doch Fachmann.«
    Lukas schlang den Bissen hinunter und überlegte.
    »Um ganz ehrlich zu sein: etwas zu weich für ein Männerportrait.«
    Seine Offenheit löste Gestautes.
    »Ich finde das andere auch besser. Das auf dem Speicher«, tat Wanda kund.
    »Kennen Sie den Marinemaler Bergen?« schnarrte Onkel Karl-Eugen. »Der ist härter. Allein sein Wasser! Man spürt richtig, wie kalt es ist.«
    Lukas dachte an den Gischtpinsler, dessen Zukunft einst so offensichtlich auf dem Wasser gelegen hatte.
    »Ja natürlich! Eine

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