Bekentnisse eines möblierten Herren
gesagt, Robert, hat er gesagt, du brauchst einen neuen Anzug! Wir fahren nächste Woche nach Den Haag. Dann hat er mich neu eingekleidet, und dann sind wir losgefahren. Wo wir überall waren! In ganz Europa sind wir ‘rumgekommen. Nur der Prinz und ich.« Er trank einen Schluck und beugte sich vor. »Dem gnädigen Herrn kann ich’s ja sagen: Die Ehe war nicht glücklich.«
»Da haben Sie ja allerhand erlebt«, antwortete Lukas, ohne auf die letzte Eröffnung einzugehen.
»Jaja«, nickte Robert und blickte versonnen durch den Rauch. »Dann aber kamen schwere Zeiten. Meinrad — der Sohn — ist gefallen, das Vermögen ist draufgegangen, wir konnten das Schloß nicht mehr halten. Zum Glück hat das der Prinz nicht mehr miterlebt; an einer Lungenentzündung ist er gestorben. Wir mußten uns sehr einschränken, und Hoheit konnte sich nur schwer umstellen. Aber ich habe mir immer gesagt, wenn dich der Prinz jetzt sehen würde, würde er sagen: »Robert, ich kann mich doch auf dich verlassen!« — und so bin ich geblieben und hab’ nach dem Rechten gesehen.«
Daß er seit zwei Jahren keinen regelmäßigen Lohn mehr bekam, verschwieg er.
Lukas blickte auf die Tischplatte.
»Entschuldigung, wenn ich so daherrede«, fuhr Robert fort, »aber... der gnädige Herr sind dem Prinzen sehr ähnlich.«
Sie sahen einander an, und jetzt verstand Lukas, worum er sich am Nachmittag vergeblich bemüht hatte.
»Dann wollen wir so langsam, es wird ja schon um acht Uhr gefrühstückt.« Er zahlte, und als sie schweigend im Wagen hinauffuhren, atmete Robert schwer. Er mochte wohl zurückdenken an seine Fahrten mit dem Prinzen, als die Zeiten noch Zeiten waren.
»39,4«, las Alma von der Skala ab, »da bleiben Sie aber schön im Bett.«
Im Fuhrmannskittel mit Dogge Marina bei Fuß trat Gustl ein.
»Wo steckst du denn die ganze Zeit, Alma?«
»Unserem Herrn Dornberg geht es gar nicht gut.«
Sie hielt ihr das Thermometer hin und deutete auf die Dogge. »Tu sie bitte ‘raus.«
Gustl öffnete die Tür.
»Vas-y, Marina. Allez vite!«
Marina gähnte und streckte sich dabei, daß nur das Hinterteil im Zimmer verblieb. Alma schob mit der Tür nach, während Gustl an das Bett trat.
»Ja so etwas. Wie haben Sie das denn gemacht, Herr Dornberg?«
»Erkältet«, antwortete er heiser, »...dünne Decke... Fenster auf…«
»Und wo ist das Fräulein Braut? Sollen wir sie nicht anrufen?«
Lukas schüttelte matt den Kopf.
»...ist zu Hause...«
»Ob wir nicht doch vielleicht Doktor Triebel anrufen?« fragte Alma, doch Gustl wehrte entschieden ab.
»Keine Pillen! Das schwächt nur die Abwehrkräfte des Körpers. Mach ihm einen Vitamincocktail und heute abend einen salade Niçoise. Vitamine sind das einzig Richtige. Und auf die Nacht bekommt er noch einen heißen Reiswein. — Sie werden sehen, wie schnell wir Sie wieder gesund haben, Herr Dornberg.«
»Ich hole ihm den Gong. Dann kann er sich bemerkbar machen, wenn er etwas braucht«, sagte Alma und ging hinaus.
»Soll ich sonst jemand verständigen?«
Lukas verneinte. Gerade jetzt, da es ihm schlechtging, wollte er die vernachlässigten Freunde nicht bemühen.
Alma brachte den Gong und legte ihn aufs Bett. Er nickte schwachen Dank.
»Wir werden bald wieder auf der Höhe sein«, tröstete Gustl in aufmunterndem Plural nach Schwesternart und schob Alma hinaus.
»Qu’est-ce-que je te voulais dire...«
Die Tür fiel zu, Lukas schloß die Augen; das Fieber griff nach seinen Gedanken und rührte sie um, wie die Vitamine, die Alma in der Küche für ihn bereitete. Plötzlich lag er in dem kurzen Domestikenbett und fror. Hoheit standen neben ihm und lachten, das Fenster aber schloß sie nicht. Marie-Luise kam und holte sie zum Kirchgang. Wanda, Onkel und Tante folgten. Er mußte auf stehen und für Hasso Steinchen werfen.
»Tiere brauchen Auslauf«, hatte Onkel Karl-Eugen verkündet, »besonders die Maskottchen an Bord!«
Da kam ihm der Einfall mit dem fingierten Anruf in die Stadt. Er lief ins Haus, stieß gegen die Klubgarnitur, suchte in der Bibliothek nach Briefpapier — siebenundachtzig Bücher zählte er dabei — , schrieb einen Dankesbrief an Hoheit, wie leid es ihm täte, so plötzlich abreisen zu müssen, ohne ihre Rückkehr abwarten zu können, klingelte Robert und ließ sein Gepäck zum Wagen bringen.
Als er schon am Steuer saß, erschien Roberts Frau mit einem Futterpaket für unterwegs — die Gute.
»Servus Hoheit«, sagte er laut, als er sich auf der Kuppe im
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