Bekentnisse eines möblierten Herren
diese Entwicklung, indem sie die Puddinglieferungen einstellte und die Tür geschlossen hielt. Ansonsten lebte Lukas seinen gewohnten Rhythmus, verbrachte die Tage im Atelier und die Abende mit Freunden. Sein Kontakt zur Familie überschritt die Teegrenze nicht. Zweimal hatte ihn die Dame des Hauses mit Daniela und Frauke Passmann, der Nachbarin von gegenüber, zum Five o’clock gebeten.
Mit Alfredo Müller-Passavant, dem Vielbeschäftigten, verband ihn die nichtssagende Herzlichkeit branchefremder Gentlemen. Man wußte, daß man einander nichts zu sagen hatte, ließ sich aber lächelnd fühlen, daß es ganz anders wäre, wenn man es nicht wüßte. Mit ihr jedoch schien jeder Kontakt unmöglich. So reizend sie sich beispielsweise mit Daniela unterhielt, so schroff wurde ihr Ton, richtete sie das Wort an ihn. Doch Lukas ließ sich dadurch nicht beirren und blieb höflich reserviert.
Der Herbst kam, die Blätter fielen, und das gesellschaftliche Bedürfnis stieg. Die Saison hatte begonnen. Müller-Passavants luden zu einer Party. Die Crème gab sich ein Stelldichaus in der Premiere des renommierten auswärtigen Ensembles, um anschließend mit Regisseur und Hauptdarstellerin im Traumhaus bei einem Gläschen Sekt noch ein wenig zu plaudern. Smoking, kleines Abendkleid — ganz zwanglos. Zu diesem Teil war auch Lukas vorgesehen.
»Nanu, du im Smoking?« lachte er, als Hubert in sein Zimmer trat.
»Tach, old boy!« Hubert drehte sich wie ein wohltemperiertes Fotomodell, »wie gefalle ich dir als Nestor der Debütanten? Stammt noch aus meiner Dandyepoche vor dreißig Jahren; zeitlose Eleganz »Wieso bist du nicht im Theater?«
»>Ich bekam keinen Platz mehr!«
»Aber du bist doch mit Daniela eingeladen. Sie ist auch in der Vorstellung. Frau Passavant hat mindestens zwölf Karten bestellt.«
Hubert legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Kunst wollen sie entre eux genießen. Wir beide sind erst zum kalten Buffet gedacht.«
»Ich weiß noch gar nicht, ob ich überhaupt hinübergehe!«
»Selbstverständlich gehst du!« Er wechselte in einen manierierten Ton. »Wo doch Frauke Passmann kommt, die dich so ganz besonders reizend findet, wie Daniela mir
sagte.«
Lukas sah ihn erstaunt an.
»Wie redest du eigentlich mit mir?«
Hubert setzte sich in den Sessel und manövrierte seine Zigarre ohne Zuhilfenahme der Hände in den anderen Mundwinkel.
»Ich snobbe mich langsam ein.«
Lukas ging zum Wandschrank und suchte seine Smokingschleife.
»Das kann ja heiter werden.«
»Ich kann dir ganz genau sagen, wie das werden wird. Zuerst stehen alle herum und geheimnissen in die Inszenierung hinein. Pfeiffer erscheint mit der Hauptdarstellerin — sie mußte sich noch abschminken, daher die Verspätung — , Applaus, Wiederholung des schon Gesagten, kaltes Buffet, Tanz. Ab zwei Uhr leichte Frivolitäten und Tiefsinn. Dann Mokka.«
»Schau mal, ist sie so richtig?« fragte Lukas.
Hubert erhob sich und band ihm die Schleife neu. »Damit habe ich mich auch schon herumgeärgert. Dirigent müßte man sein oder Kellner. So!«
Von draußen wurde das Geräusch der vorfahrenden Wagen vernehmbar.
Lukas schlüpfte in die Jacke.
»Komm.«
»Müssen wir wieder durch die Küche?«
Er nickte.
»Dann merken sie gleich, daß wir originell sind«, sagte Hubert.
Gerda öffnete ihnen die Tür. Funkelnde Solitäre, parfümierte Sentenzen.
»...ich habe in die Gesichter geschaut, das war wie Fische im Bassin, die ins Licht schwimmen. Sie ist eine richtige Magierin. Das war doch Magie, was sie aus ihrem Körper gemacht hat; sie ist doch eigentlich schmächtig«, dozierte eine schmale Adlernasige mit einem bösen, aber wohlhabenden Zug um den Mund.
Von St. Christophorus her nahte ein Kellner mit Getränken. Lukas kannte ihn aus dem Spezialitätenrestaurant »Tanfani« — noch von Ingrids Zeiten her. Er lächelte ihm zu.
Jetzt Défilé in Arpège:
»...und diese Philosophie, die er da ‘reingebracht hat, und das alles. So vom Dramaturgischen her... Die Franzosen haben eben in jeder Schicht ihr Publikum; das ist der Boden.«
»Das ganze Volk ist eben anders, meine Liebe.«
Hubert betrachtete den Verkündigungsengel.
»Hm, Christentum als Hobby.«
Neue Düfte: Partagas Eminentes mit Chanel:
»...genau, was ich sage! Immer große Mimik und Pantomime und so was...«
»Genau! Der Franzose hat eben dieses gewisse, >Je ne sais pas quoi<...«
»Genau! Das Enflammé ist es, was sich immer mitteilt, irgendwie.«
Sie hielten bei der
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