Bel Ami
führte sie zwischen ihre Beine. Ihr Englisch war exquisit, wobei wir eigentlich gar keine Worte gebraucht hätten. Ich folgte ihr aufs Zimmer und kam mir mit meinen 1,90 Meter vor wie Gulliver. Alles an ihr war so filigran und zart. Sie schlüpfte aus ihren winzigen Schuhen und zeigte auf mich. Ich trage Schuhgröße 48, und mit einem Mal schämte ich mich dafür.
»So big!«, meinte sie lächelnd.
Ja, und jetzt hoffte ich, sie nicht nur mit meinen Füßen beeindrucken zu können. Mey wies auf den Raum, lächelte mich an und verschwand lautlos im Bad. Chinesische Mädchen reden nicht viel. Eine sehr angenehme Eigenschaft, fand ich. Sie hatte auch ohne Worte alles zum Ausdruck gebracht: Ich war willkommen, das Zimmer würde heute nur uns gehören, sie versprach mir Freuden und forderte mich auf, es mir bequem zu machen. Die Fensterläden waren geschlossen, zwei kleine Wandlampen verbreiteten so wenig Licht, dass nur das Bett, zwei goldene Bodenvasen und eine geschnitzte Skulpturengruppe zu erkennen waren. Die Verrenkungen der kopulierenden Paare waren so unglaublich, dass es mir unmöglich war, den einzelnen Figuren ihre jeweiligen Arme und Beine zuzuordnen. Mit Mey schien mir alles möglich. Die Skulptur erregte mich. Ich zog mich aus, legte mich auf das große Bett und wartete auf sie. Es war merkwürdig. Ich kannte sie erst seit zwei Stunden, aber sie fehlte mir: ihr Duft, ihre Stimme, ihre dunklen Augen. Es klopfte. Erschrocken griff ich nach der Decke und setzte mich auf. Eine alte Chinesin kam herein, murmelte irgendwas und stellte ein Tablett mit Champagner, Dumplings, einer Pfeife und einem Gefäß ab, aus dem kleine wohlduftende Rauchwölkchen strömten. Sie entzündete eine Kerze, verbeugte sich mehrmals und verließ rückwärtsgehend wieder das Zimmer. Die Teigtaschen sahen appetitlich aus, aber ich wollte nur eines: endlich meine Mey zurück. Die Badtür öffnete sich, und sie kam heraus – so schön, so nackt – und setzte sich auf die Bettkante. Sie klopfte auf den Platz neben sich, ich folgte artig ihrer Aufforderung. Mit der Kamasutra-Skulptur links und der schönen Mey rechts von mir verging ich fast vor Ungeduld. Ich saß so nah neben ihr, dass sich unsere Oberarme berührten. Andere Länder … also drückte ich das Deckenknäuel auf meinen Unterleib, tat nichts und sah ihr zu. Sie nahm die Pfeife, hielt sie über die Kerze, zog sich eine silberne Nadel aus dem Haar und begann in einer breiigen Substanz zu rühren, die sich immer mehr verflüssigte. Der betörende Duft mischte sich mit Jasmin und breitete sich langsam im Zimmer aus.
»Best quality, absolutely pure.«
Mey legte die Nadel aufs Tablett und reichte mir die Pfeife. Hätte sie mir eine Schere gegeben und auf meine Haare gezeigt, ich hätte auch das getan. Ich zog daran, doch Mey war nicht zufrieden. Sie schüttelte den Kopf, lächelte mich an und säuselte: Again! Also noch einen tiefen Zug von diesem warmen, aromatischen Rauch, und dann ließ ich mich willig von ihr in die Kissen drücken. Ich war so glücklich und so bereit, sie zu Meiner-Mey zu machen, wenn sie doch nur … nein, sie ließ mich nicht länger warten. Let yourself fall! Leave everything to me!, hörte ich sie sagen, weit weg, unter mir. Ich war leichter als Luft, stieg langsam auf und erfasste die tiefe Bedeutsamkeit des Lebens. Ängste und Zweifel flogen auf wie ein Vogelschwarm, verloren ihre feste Form und wurden Bestandteil der Unendlichkeit. Ich rollte mich aus wie ein Teppich und berührte das Dasein in all seinen Formen, ich verlor all meine Furcht.
Do you like it? Ja, ja, I like it! Komm her, berühr mich, Windfinger, Haarspiel, meine Mey. Sie drang tief in mich ein und berührte mich, wie ich noch nie von einer Frau berührt worden war, und ich ließ es zu.
Und es ging weiter. Hartmut drängte auf mehr. Wir hatten unseren Aufenthalt in Hongkong um drei Tage verlängert – wegen mir, besser gesagt wegen Mey. Er war nicht wirklich ärgerlich darüber, zog mich aber trotzdem damit auf, dass ich mir für das Geld auch gleich ein ganzes chinesisches Dorf voller Jungfrauen hätte kaufen können. Vielleicht nahm er mir einfach nur übel, dass ich mir für unseren Aufenthalt die Exklusivrechte an Mey gesichert hatte und er am ersten Abend mit einem Mädchen verschwunden war, von dem ich schon von Anfang an behauptet hatte, es sei ein Junge.
Unsere nächsten Ziele waren Hawaii, Honolulu, Tahiti und die Osterinseln, und überall warteten Fünfsterne-Suiten
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