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Bel Ami

Bel Ami

Titel: Bel Ami Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Detlef Uhlmann
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blieb also in Berlin und passte auf die Bar auf. Und obwohl es ihr eigener Wunsch gewesen war, musste ich in der Zeit vor meiner Abreise nicht nur ihr distanziertes Verhalten ertragen, sondern meinen Koffer auch noch allein packen.
    In Italien angekommen, stellte Hartmut mir seine neue Freundin vor: Annika – sehr geil – und seine Idee – obergeil. Nämlich eine Weltreise, auf der ich ihn begleiten sollte. Er hatte das Geld, ich ein Händchen für Frauen. Die perfekte Kombination, fand Hartmut. Ich auch. Simone würde das natürlich nicht gefallen. Überhaupt hatte ich das Gefühl, dass sie seit ihrer Fehlgeburt nur noch wenig gut fand. Wer hatte noch gesagt, Dicke wären gemütlich? Simone hatte zehn Kilo zugenommen, wog jetzt also wieder 58 Kilo, aber von guter Laune keine Spur. Sie mäkelte an mir rum, weigerte sich sonntags im Bel Ami zu arbeiten, eifersüchtelte hinter mir her und missgönnte mir jede kleine Freude. Selbst den Gästen fiel die Veränderung auf. War sie denn wieder schwanger? Das hätte ich doch wohl wissen müssen. Ich ärgerte mich. Was sollte ich machen? Ich kaufte ihr noch ein Pferd. Danke, sagte sie, aber was soll ich denn mit zweien? Mine Fru, de Ilsebill, will nich so, as ik wol will. Ja, was wollte sie denn eigentlich? Und war es denn meine Sache, das zu erraten? Ich wusste immerhin, was ich wollte: nämlich endlich Hartmuts Drängen nachgeben und mir die Welt ansehen. Ich wurde schließlich auch nicht jünger.
     
    Die Nachmittagssonne versprach mehr, als sie halten konnte. Ich fröstelte, war aber zu faul, mir den Mantel aus dem Haus zu holen. Simone hatte sich eine Decke über die Schultern gelegt und wärmte ihre Hände an der Kaffeetasse, aus der weißer Dampf aufstieg. Wie oft hatte ich in der letzten Zeit in unserem Garten gesessen und mir den Unterschied zwischen Schnee- und Maiglöckchen, Rotschwänzchen und Braunkehlchen erklären lassen. In einer plötzlichen Horrorvision sah ich uns beide alt, dick und faltig, in Decken gewickelt, Kekse mümmeln. Hastig stürzte ich den Rest meines Champagner hinunter und verschluckte mich.
    »Und du willst wirklich nicht lieber Kaffee?«
    Ich hustete noch immer. Simone schien meine Antwort auch nicht zu vermissen und redete weiter.
    »Natalie hat letzte Woche übrigens Katja getroffen!«
    »Ja?«, krächzte ich.
    »Du hättest sie wohl kaum wiedererkannt.«
    »Wieso, ist sie dick geworden?«
    An der kleinen Falte auf Simones Stirn erkannte ich, dass diese Frage mal wieder falsch gewesen war.
    »Sie soll alles verkauft haben, ihre Pelze, den Schmuck, die Wohnung. Sie hat eine Stelle als Sekretärin angenommen.«
    Ich versuchte, mir Katja in einem schlichten Kostüm vorzustellen, die langen Haare als Knoten im Nacken, wie sie mit dicken Aktenordnern unterm Arm über einen langen Flur ging. Es gelang mir nicht.
    »Sie haben sich im Zug getroffen. Katja war auf dem Weg zu ihren Eltern, hat sich wohl auch nicht sonderlich über die Begegnung mit Natalie gefreut, ihr aber trotzdem kurz erzählt, dass sie vor drei Jahren ihren Chef geheiratet hat. Großes Haus in der Nähe von Hannover, mittlerweile zwei gemeinsame Kinder, ein neues Leben und das alte vorbei. Für immer. Erstaunlich, oder?«
    Das fand ich allerdings auch. Katja war es doch gewesen, die nie genug bekommen, immer mehr gewollt hatte, die mich für meinen Wunsch nach einem einfachen Strandspaziergang sogar ausgelacht hatte. Und jetzt diese Wendung. Hatte ich irgendwas übersehen, falsch verstanden?
    »Detlef?«
    Wahrscheinlich hatte sie gar nicht gewusst, was sie wirklich wollte. Na, das konnte man von mir nicht behaupten, ich wusste es!
    »Was weißt du?«
    »Hä?«
    »Du hast gesagt, du weißt es!«
    »Ja, ich weiß, was ich will!«
    »Und was?«
    Ein Eichelhäher flog laut meckernd über unseren Tisch und verschwand in den angrenzenden Tannen. Ich zuckte zusammen, und dann platzte es aus mir heraus:
    »Die Weltreise machen!«
    »Oh Gott, ich dachte, das Thema wäre endlich vom Tisch.« Sie sah mich zornig an und stellte ihre Tasse ab. Der Kaffee schwappte über und hinterließ einen hässlichen Fleck auf der Decke.
    »Ich finde das absolut bescheuert, Detlef. Du willst noch immer und immer noch mehr! Wo soll das enden?«
    »Du findest in letzter Zeit doch alles bescheuert, was ich mache. Und was ist in diesem Jahr denn anders als im letzten oder im nächsten? Glaubst du etwa, du kommst zu kurz? Nein, wahrscheinlich gönnst du mir einfach nicht, dass ich das Leben genieße.

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