Bel Ami
Vielleicht, weil du dich selbst über nichts mehr freuen kannst. Brauchst du mehr Geld? Ist es das?«
»Jetzt halt mal die Luft an! Hast du dir eigentlich in der letzten Zeit mal die Zahlen angesehen?«
»Die sind so gut wie eh und je!«
»Ich meine die auf der Ausgabenseite!«
»Was willst du damit sagen?«
»Dass du zu viel ausgibst, Detlef. Hartmut spielt in einer ganz anderen Liga als du. Du kannst es dir nicht leisten, mit ihm gleichzuziehen.«
VII. Krisen
Mei-Mey und ein Baby
Ich war noch nie so lange weg gewesen. Üblicherweise dauerten meine Reisen nie länger als drei Wochen. In Brasilien hatte ich mich öfter vier, einmal fünf Wochen aufgehalten. Selbst der ausgedehnte Urlaub vor acht Jahren, in dem ich Katja die halbe Welt gezeigt hatte, war nach zehn Wochen vorüber gewesen. Jetzt planten Hartmut und ich eine Weltreise von vier bis fünf Monaten. Wenn wir Anfang Mai aus Berlin loskamen, würde ich vor meinem Geburtstag wieder zurück sein. Uns blieben also noch gut drei Wochen, um die Geschäfte zu ordnen und die Reise zu organisieren. Simone hielt sich erstaunlich gut. Nachdem sie einmal eingesehen hatte, dass mein Entschluss feststand, schien sie sich mit der Situation abgefunden zu haben. Während der ganzen Vorbereitungen fühlte ich mich voller Energie, Tatendrang und Abenteuerlust. Etliche Male saßen Hartmut und ich bis in die frühen Morgenstunden zusammen und malten uns die bevorstehenden Monate in den buntesten Farben aus. Ich musste gestehen, dass mein Freund dabei ziemlich ausgefallene Ideen hatte. Er gierte nach Mädchen in jeder Zahl, Form und Farbe, schwärmte von Ländern und Sitten, die mir noch unbekannt waren, und ich hatte ein Kribbeln im Bauch, das ich das letzte Mal gespürt hatte, als ich Simone zur Flucht verholfen hatte.
»Ich dachte schon, du würdest kneifen.«
»Wieso?«
Hartmut grinste. »Ich war auch mal verheiratet. Und nicht nur einmal. Und nach unserer letzten Begegnung hatte ich nicht das Gefühl, dass deine Frau dich zu unserem Abenteuer ermutigen würde.«
Einerseits wollte ich Simone verteidigen, die sich in den letzten Wochen ziemlich zurückgehalten hatte, andererseits meinen Freund nicht verärgern. Also stimmte ich ihm zu und bestellte eine neue Flasche.
»Vertraust du ihr?«
»Was meinst du?«
»Ist ’ne ganz schöne Verantwortung, den Laden die ganze Zeit allein zu schmeißen!«
»Ihr Vater hilft, der Bruder und die Mutter auch. Außerdem ist sie schon seit mehr als sieben Jahren im Geschäft.«
»Ein Familienbetrieb sozusagen.«
Irgendwie gefiel mir nicht, wie mich Hartmut angrinste.
»Du scheinst von Familie nicht viel zu halten, oder?«
»Och, so würd ich das nicht sagen. Jedem das Seine. Ich hab nur irgendwann für mich beschlossen, dass es netter ist, sein Geld für sich selber auszugeben. Hätte ich das früher kapiert, würden wir am Montag nicht in der ersten Klasse sitzen, sondern in meinem eigenem Flugzeug.«
Sonntagabend hatte Simone noch eine Abschiedsparty im Bel Ami für mich organisiert, und am Montag war ich schon in Moskau bei Veronika, Olga und Natalia im Night Flight . Dann drei Tage im libyschen Burj al Ara , in dem Nat und Nu ihre Burkas fallen ließen. Delhi, der dreckigste Ort, den ich je gesehen habe, mit Abha, der kleinen Inderin. Fünf Tage Bangkok mit fünf lustigen Thaimädchen. Singapur – kein Mädchen zu kriegen. Shanghai und eine Karaokebar mit 30 schönen Mädchen, was uns dann wieder versöhnte. Und Hongkong mit Mey, einem chinesischen Model.
Wunderschöne, zarte Mey. Schwanen-Mey, Jasmin-Mey, Opium-Mey, Meine-Mey. Ich sah sie tanzen und war ihr sofort verfallen. Auf ihrer goldenen Schärpe stand ihr Preis. Stattliche 1000 Hongkong Dollar, das waren in etwa 2000 Euro. War mir egal. Ihr Hals war so lang und ihr Haar so schwarz. In unbegreiflichen Kurven, Spiralen und Drehungen trotzte es der Schwerkraft und saß schöner als jede Krone über ihrem perfekten, kleinen Gesicht mit den großen, schwarzen Augen. Sie bewegte sich so geschmeidig und lautlos wie einst Malila und doch ganz anders. Weniger aggressiv, eher ätherisch. Ich vergrub mein Gesicht an ihrem Hals, schloss die Augen und saugte ihren Jasmin-Duft ein. Mey, oh Mey, was tust du mit mir? Und dabei war ich immer überzeugt gewesen, die schönsten Mädchen gäbe es in Brasilien. Ihre Stimme war so leise, dass ich mich vorbeugen musste, um sie zu hören. Ehrfürchtig nahm ich ihre Kinderhand und drückte meine Lippen darauf. Sie lächelte und
Weitere Kostenlose Bücher