Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bel Canto (German Edition)

Bel Canto (German Edition)

Titel: Bel Canto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milada Součková
Vom Netzwerk:
und vom alten Battisterni, dem berühmten Schürzenjäger, Blumen und einen Brief erhalten hatte, ob sie mit ihm nach der Vorstellung zu Abend esse? Als sie ohne Engagement und Geld war und genötigt, Doria zu schreiben, der ihr in einem Umschlag zwanzig Lire schickte.
    Als sie erfahren hatte, Paolos Vater sei vor Gericht gestellt und Paolo, als hätte er alle Schwüre vergessen, mit seinem Diener kam, von ihm die Sachen fortschaffen ließ, und zu nichts weiter imstande war als Giulia zu sagen:
    Heul nicht, du alte Hure! Traurige Stimmung?
    Lässt Sie Ihr Gedächtnis im Stich?
    Giulia wird den schrecklichen Augenblick nicht vergessen: Sie hörte den Souffleur nicht, hörte nur, etwas schreit auf sie ein, sah vor sich ein Gesicht, das nicht begriff, was mit ihr geschieht. Giulia zerrannen Worte, Bühne, Musik, Peterka, und erst sein Flüstern: » Um Gottes willen! « brachte alles wieder in die gewohnte Form. Giulia hatte sich gefangen, das Publikum nichts bemerkt, Peterka die Situation gerettet. Als er am anderen Tag Giulia im dritten Akt küssen wollte – sagte ihm Giulia, er solle keine Dummheiten machen.
    Leiden Sie an Verstopfung?
    Essen Sie mit Appetit?
    Giulia hatte stets einen mehr als gesunden Magen. Sie überfraß sich nur deswegen nicht, weil sie fürchtete, dick zu werden. Das hat Giulia mit allen weltberühmten Sängern und Sängerinnen gemein, diese Sehnsucht nach den Nationalgerichten. Wenn Sie im Interview irgendeines Weltstars lesen, dass er sich in der Fremde an ein paar Gerichte erinnert, die seine Mutter gekocht hat, so glauben Sie ihm, seine Sehnsucht nach heimatlichem Essen ist aufrichtig. Wenigstens wenn ich von Giulia ausgehe. Ich weiß doch, wie sie sich im Ausland immer sehnsüchtig an Zwetschkenknödel, Dampfknödel mit Eiern und Knackwurst mit Kren erinnerte.
    Sie aß dem Anschein nach immer in der feinen Art, mit der nur Leute mit prächtiger Gesundheit essen. Ich sehe sie mit Appetit Gemüse oder Obst essen und sich dabei über Vitamine auslassen. Das ist wieder Giulia aus den späteren Jahren, Giulia in Amerika. Ich sehe sie mit Appetit essen,auf die Art des Essens achtend; sie beurteilte immer streng die Art, wie Leute essen. Sie erklärte mir, wie sie eigentlich bei Frau Littmann erst essen gelernt habe und dabei hat sie sich manchmal an die Diplomaten erinnert, die dort an deren Tisch in Wien zusammengekommen waren.
    Sie brachte mir bei, dass wir Kartoffeln nur mit der Gabel und nie mit dem Messer, um keinen Preis mit dem Messer, anrühren dürfen.
    Ich sehe dabei ihre Wohnung, ich sehe das violettrote Speisezimmer aus dunklem Holz, Silber, Glas, Porzellan, ich sehe dieses Abendessen, auch diesen »Diplomaten« mit seiner Geliebten, einer Operettensoubrette, ich sehe die Savelli, eine berühmte Operettenheldin, mit ihrem Ehemann: Sie verachtet Giulias Stimme und ich sehe gleichfalls die alternde kleine Soubrette, die sich bemüht, auch im bürgerlichen Leben Theatertemperament verkörpernd, ihren Diplomaten an sich zu fesseln: ich habe sie zufällig im Vorsaal ertappt: erinnere mich an die Tanzbewegung ihrer Füße, an ihr Mienenspiel und an ein hässliches Wort aus ihrem Mund. Die Savelli, im schwarzen Kleid, mit einfachem Schmuck, mit einem farblosen Ehemann, kritisierte die Gesellschaft Giulias, deren Tisch, Küche, Gesang.
    Dort war auch ein Weinhändler, der die Anwesenden vom Standpunkt des Weins beurteilte und nur gekommen war, um endlich sein Problem mit der kleinen Soubrette zu lösen, die sich zierte, seit sie mit dem Diplomaten bekannt war. Die kleine Soubrette hatte Größenwahnträume, denn der Diplomat war ein junger und schöner Mann; aber sie fürchtete undeutlich, ihren Weinhändler zu verlieren und hatte Giulia deshalb gebeten, auch ihn einzuladen. Ich weiß nicht, ob der Wein aus seinem Geschäft war, den mandamals trank. Von seinen Gesprächen erinnere ich mich nur noch daran, dass er sagte: »Bei Giulia trifft sich eine gute Gesellschaft, schauen Sie sich die Weinmarken an, die man hier trinkt.«
    Giulia hatte damals eine ausgezeichnete Köchin, ich werde nicht vergessen, wie sie mir (übrigens nicht bei dem Abendessen, von dem ich spreche) eine Gemüsevorspeise aus jungem Porree aufgetragen hat, wie ich sie nie zuvor und nie danach gegessen habe.
    Ich erinnere mich: Empfing Giulia Besuch, ging ich im nahen Park spazieren, ging der Besuch, blieben auf der glänzenden Fläche des schwarzen Konzertflügels entweder eine goldene mit Brillanten besetzte Tabatiere

Weitere Kostenlose Bücher