Bel Canto (German Edition)
(das Filminterieur bildend), an dessen Ecke Ihr Euch gestoßen habt, als Ihr vor Eurem Liebhaber den Ohnmachtsanfall spieltet? Erinnert Ihr Euch an die im dichten Haar verborgene Schramme? Legte der Liebhaber, als er Euch verließ, auf einen dieser Stühle seine Sachen?
Ich erinnere mich gut, welche Sorgen Loeven mit diesem Stuhl hatte: Er schimpfte, weil er für sie beim Magazinverwalter Gebühren zahlen musste und welche Lauferei hatte er erst, als er diese Stühle für Euch abgeschickt hat. Er würde nichts sagen, wenn ihm nicht sein Bein solche Beschwerden machen würde.
Zurück!, schrie die rote Ampel an der Ecke der Seitenstraße.
DAS LIED IM RADIO
Im Radio spielt man ein Lied: Das ist von Ralf! Wer ist Ralf? Giulia – ich habe schon gesagt: Stellen Sie sich das nicht so einfach vor, ein Bild von Giulias Leben zu geben, und es sich von ihr erzählen zu lassen. Denken Sie ja nicht, es reicht, zu ihr zu sagen: und Ralf?!, und Giulia käme ins Erzählen. Dann würde es genügen, stenographieren zu können und so gut es geht die stenographischen Aufzeichnungen ordnen zu lernen. Sie könnten das versuchen und im scheinbar geeigneten Moment fragen: und Ralf?
Auch wenn Sie vorher mit Giulia ein Gläschen Wermut getrunken hätten, könnte es passieren, dass sie Ihnen vollkommen ruhig antworten würde: Ralf? Ralf ist ein boshafter Frosch. Und dann würde sie Ihnen erzählen, wie schlecht neulich bei Littmanns serviert wurde, oder von jemandem, der sie mit einem einflussreichen Theaterregisseur bekanntmachen wird.
Völlig überflüssig, mit ihr über irgendwelche Themen zu streiten. Ich streite nie mit ihr, ich habe es einmal versucht. Wir stritten, ob man Zwetschkenknödel mit Messer und Gabel essen (zerschneiden) darf oder ausschließlich mit der Gabel. Ich hätte mich auf diesen Streit nie eingelassen, wenn Giulia, die ich zu Zwetschkenknödeln eingeladen hatte, mich nicht mit geringschätzigem Blick gemahnt hätte, ich solle anständig essen. (Ich schnitt nämlich die Knödel mit dem Messer.)
Mit dieser geringschätzigen Miene hätte mir Giulia gern auch andere Lebensratschläge gegeben, ich weiß das, und jedes Mal wenn auf ihrem Gesicht ein Ausdruck bar jeder Rührseligkeit erscheint, gebe ich ihr schon im Voraus recht; alle Versuche, denen es nicht gelungen war, Gesundheit, Aussehen und Geist bei ihr zu untergraben, werden in Überfülle zum Vorschein kommen. Giulias Erfahrungen!
Und Ralf? In diesem Zusammenhang habe ich Giulia nie eine Frage gestellt. Mir reichten immer die Bemerkungen, die ihr entschlüpft sind, Bemerkungen einer professionellen Schauspielerin und –
Im Radio spielt man oft Ralfs Lieder. Das wird uns, mich und Giulia, häufig an ihn erinnern. Auf der ganzen Welt strahlt sie Radio Prag, Berlin, Wien, Brünn, Mährisch-Ostrau aus.
Giulia wird manchmal vergessen, dass sie mir über ihn gesagt hat, er sei ein boshafter Frosch, sie wird vergessen und ihre Stimme wird eine vertrauliche Tonart anschlagen: Es stimme nicht mehr, dass Ralf ein boshafter Frosch, ein Gigolo sei, über den Giulia sagen könne – sie wolle das nicht behaupten –, er würde sich von den Weibern aushalten lassen, aber der Vorteile bediene er sich, der gesellschaftlichen Beziehungen, die ihm die Stellungen seiner Freundinnen eröffnen.
Ralf ist ein unglücklicher Mensch. Nur Giulia weiß, dass er ein unglücklicher Mensch ist. Ihr habe er sich doch mit allem anvertraut! Seine Frau sei krank. Er habe Giulia anvertraut, welche Summen ihn die Heilung koste. Er verdiene viel Geld, aber die Leute stellen sich vor, das seien wer weiß wie hohe Summen, und danach behandeln sie ihn auch. Niemand liebe ihn, er wisse das und leide darunter.Alle um ihn herum, seine Frau, sein Freunde, denken, er sei nur hier, um für sie zu verdienen, um für sie zu sorgen. Um ihn kümmere sich niemand und nie sorge sich jemand um ihn. Nur Giulia. Und darum liebe er sie auch. Er liebe nur sie. Zweifele ich daran? Giulia könnte mir das beweisen.
Nein, ich zweifele nicht daran.
Ich könnte vielleicht daran zweifeln, aber nur, weil ich nicht alle Lebensumstände Ralfs kenne. Giulia zweifelte nie, dass sie seine größte Liebe war, die einzige Liebe seines Lebens. Es gab Umstände, die ihr und sein Glück zerstörten. Sie beide waren füreinander geschaffen! Ralf wollte sich scheiden lassen, natürlich, aber solange seine Frau krank war, konnte er das doch nicht tun. In welchem Licht würde er dastehen?! Sie mussten doch warten, bis die Frau
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