Bel Canto (German Edition)
werden Erfolg haben und sie Gelegenheit, daraus eine geeignete Rolle zu wählen, die ihr Erfolg bringt.
Ich schicke ihr keine Stücke, weil ich weiß, bevor die angekommen wären, hätte Giulia ihre Absicht geändert: es hätte keinen Sinn, dass sie einem Autor, einem Impresario und einer Schauspielerin zum Erfolg verhilft. Und ehe sie eine Rolle für sich gefunden hätte, bei der ihr Akzent nicht stören würde! Giulia bräuchte einfach jemanden, der ihre Einfälle umsetzt. Den Erfolg würden sie sich teilen. Giulia hat nämlich immer ein Sujet für ein erfolgreiches Theaterstück im Kopf.
Jedes Mal wenn sie aufhört, mir die »Psychologie« ihrer Erlebnisse zu erklären, wenn sie mit ihren Schilderungen, wie ihr Leben in Wirklichkeit aussah, aussieht und aussehen wird, am Ende ist, einschließlich der Aufzählung, was sie sich kaufen werde, wenn sie wieder Geld habe, dann kommt die Rede unabwendbar auf das Theaterstück, auf das Sujet.
Ich werde mir nie alle drei Akte ihres vollständigen Entwurfs anhören. Ich muss hinzufügen, Giulias Lieblingsthema sind Sketche.
Wie viele solche Sujets habe ich von ihr schon gehört! Manchmal denke ich, die Sketche der ganzen Welt sind Bearbeitungen von Giulias Sujets.
Ich gestehe, ich höre ihr nicht zu, aus meinen Gedanken oder meiner Gedankenlosigkeit reißt mich Giulia nur heraus, wenn sie das Sujet vergessen hat und anfängt, selbst eine Szene, eine Figur, an die sie sich vom Theater erinnert, zu spielen.
Wenn sie anfängt, Erinnerung an eine Kollegin, einen Kollegen zu spielen. Wenn sie anfängt, deren Eitelkeit zu parodieren, wenn sie mir Lampenfieber, Intrigen, Bühnenküsse vorspielt.
Ich höre Giulias Klagen über den Kollegen, der nur darauf bedacht sei, dass sein Auftritt so erfolgreich wie möglich ausfalle, dem nicht am Erfolg seiner Partnerin liege und, wenn das in seiner Macht stünde, ihn sogar verhindern würde. Ich höre Giulia sagen: Alle sind auf den kleinsten Erfolg des anderen eifersüchtig.
Giulias Kollege nutzt ihre Wehrlosigkeit aus und flüstert ihr auf der Bühne einen Antrag zu, er nutzt die von der Rolle vorgegebenen Situationen aus. Giulia ist wehrlos, dasSpiel erzwingt diese Wehrlosigkeit, sie muss eine beliebige Schweinerei, die ihr Kollege ihr mit Vergnügen zuflüstert, mit von der Rolle vorgeschriebenen artigem Lächeln, mit Tränen, Zärtlichkeit oder Leidenschaft anhören, eine beliebige Geste, die sein Spiel ihm gestattet. Hinter den Kulissen sagt sie ihm natürlich die Meinung: was er sich eigentlich denke?!
So erzählt mir das Giulia. Ich frage nicht, wie oft sie Anträge, mit einem Rollentext geflüstert, zurückgewiesen, wie oft sie auf Theaterküsse geantwortet habe.
Ja, nichts als Theater ist das Sujet dieses mitreißenden Theaterstücks, das mich nie ermüdet, in dem Giulia neben unbekannten oder berühmten Schauspielern und Schauspielerinnen auftritt. Sie spielt die Rolle all derer, die ihre besten schauspielerischen Leistungen im bisher nichtgeschriebenen Drama geheimhalten.
Sie tritt in dem Stück »Ein Drama ohne Erfolg« auf. Ein schönes Stück. Jedes Theater würde es anders spielen müssen: anders in Paris, anders in Berlin, in Wien, in Prag, anders in Tokio. Ganz anders, ganz anders. Nur das Libretto wäre das gleiche. Es wäre ein Buch für Schauspieler, Regisseure, Dichter, und wenn sie wollen für Schriftsteller und Dramaturgen. Weil überall gewisse Änderungen nötig wären. Der Titel wäre natürlich überall der gleiche: »Ein Drama ohne Erfolg«, »Ein Spiel ohne Erfolg« –
» Ein Spiel ohne Erfolg «,
» Une pièce sans succès «.
Man hätte einen Prolog. Den Prolog in einer Theateragentur. Die Personen: der Autor, den ich darstellen will, obwohl es eine undankbare Aufgabe ist. Auch die Personen kann man entsprechend der Umstände wählen: EinenTheateragenten, spielte das Stück in New York. Einen Theaterdramaturgen, spielte das Stück in Prag. Für jede Stadt kann man Figuren wählen, die am besten die betreffende Rolle charakterisieren würden. Nennen wir die Figur vorläufig A. Ein Beispiel:
A. »Könnten Sie uns etwas echt Dramatisches schreiben. Unser Publikum wartet darauf, es wird Ihnen dankbar sein.«
» Wir brauchen einen Mann, warum sollten Sie es nicht sein. Sie können doch einen großen Erfolg haben. «
In Wirklichkeit sitzt der Theateragent bei Giulia (so wie ich bei ihr sitze, und wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, war das in Prag jemand vom Film) und sie erläutert ihr
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