Bel Canto (German Edition)
amerikanischen Behörden – in Giulias Angelegenheiten finden Sie sich nie zurecht: warum Giulia auf Kuba und auf der Flugreise das letzte Geld ausgegeben hat und zurückgekehrt ist, ohne eigentlich etwas erreicht zu haben. Giulia würde sagen, Sie sind wie die Littmanns, und würde erneut davon erzählen, jedes Mal ein wenig anders.
Wie dem auch sei, dank Giulias Lob der Konserven haben wir von ihrem Aufenthalt auf dem amerikanischen Land erfahren. Giulia beschwerte sich hauptsächlich darüber, dass sie jeden Tag kochen musste. Es war wohl ein ziemlich ärmliches kleines Landhaus, wenn Giulia darüber nichts Genaues erzählen will.
Es war so ein Landhaus, wo man die Konservendosen aus dem Fenster auf den Aschehaufen wirft. Der Widerwille dieser Frau, die kocht, ist so tief, dass sie die Konservendose aus dem Fenster geworfen hat, zwischen das Gemüse, das dort zwar wächst, aber die Frau hätte nach der Krankheit nicht die Kraft gehabt, es zu ernten, zu putzen: sie benutzt daher lieber, und solange sie kann, Konserven. Für die aber wird sie sich noch mehr mühen müssen, weil das Gemüse unter dem Fenster letztlich billiger ist. Das bezweifelt die Frau. Wenn sie sich bückt, um Wurzelgemüse herauszuziehen, spürt sie noch in Brust und Rücken die Krankheit, es geht schwer, der Boden ist hart, der Sommer unerträglich heiß, also ist es schließlich nicht billiger. Nur ihr Mann und seine Verwandten denken, dieses Gemüse sei billiger. Sie fahren alle jeden Tag in die Stadt, verschwenden Geld für den Zug, für ein gutes, schön serviertes Essen, das sie verschlingen, und kommen zum Abendessen, das sie ihnen zubereiten soll und an dem sie sparen wollen. Sie sagen, sie seien müde, und legten sich in die Betten, die sie nicht einmal selbst gemacht hätten. Sie sagen, sie arbeiten oder suchen Arbeit. Die Frau hat die leere Konservenbüchse hinausgeworfen. Die Blechdose fällt in die Gemüsepflanzen, eine beschädigt sie dabei, aber nicht so, dass die Pflanze nicht weiter wächst, größer wird, Blüten, Früchte ansetzt, verstaubt von der Umgebung.
Dieses Gemüse auf dem durch Sonne, Regen und Staub ausgebleichten Konservenetikett wächst, wird auf dem Müllhaufen größer und größer, diese Palme, unter deren paradiesischer Frucht sich jeden Abend die Familie versammelt.
Die Blätter des Paradiesbaumes rascheln trocken, knirschen vor feinem Staub: in einem alten Fußabtreter, in einem Kranz ohne Lebendiges, ohne Totes, im Besen, mit dem sie jeden Morgen den Ausschank, das Kino, die Hausschwelle kehren. Vom Pfeifen eines Zuges bebt der Stamm und der Apfel – woher kam der?
Giulia hielt inne – hat sie sich geschämt? Sie zeigte keine Demütigung –, ihr Gesicht hat sich leicht vom zweiten Gläschen Wermut gerötet, vom Neid gegen die, die sie in diese Situation gebracht haben (ihr Mann? seine Verwandten!). Trat sie übrigens nicht auch unter diesen Umständen wie jemand auf, dem die Leute nur schuldig bleiben, wie jemand, der sich durchschlagen kann, wo andere aufgeben würden?
Sie hat innegehalten und will nicht weiter erzählen, vielleicht auch, weil sie mir den Ort gezeigt hat, der ohne jede Anmut ist, verzweifelter als jeder andere auf der Welt.
Dafür war sie vergangenen Sommer mit ihrer Freundin an einem Gebirgssee. Es war zwar nach der Saison, aber das war Giulia gerade recht, sie wollte sich erholen. Auch in diesem Jahr erwartet sie eine schwere Wintersaison, Arbeit. Giulia wird viele Schüler haben, sie wird allmählich bekannt.
Die Filmgesellschaft wird ihr die Synopse abkaufen und der Rundfunk den Einfall für ihren Sketch.
EIN STÜCK OHNE ERFOLG
Sehnt sich nicht jeder, der einmal eine Feder in der Hand hatte, danach, etwas für das Theater zu schreiben?
»Das Theater braucht Stücke! Schreiben Sie für uns! Versuchen Sie es! Wir brauchen Dramatik. Es muss dramatischen Aufbau haben. Der Film zeigt wie. Die Dramatiker sterben aus. Machen Sie einen Versuch!«
»Würden Sie Theaterleuten unter ihrem Namen so einen Versuch bringen, schmeißen die sie raus«, hat unlängst Kollege Schulz gesagt. Ich weiß nicht, ob er recht hat. Auch wenn ich mich (vorerst wenigstens) an keinem Drama versuche, dann nicht allein aus den Gründen, die er angibt.
Ich überlasse es Giulia, mir Briefe zu schreiben und von mir zu verlangen, ihr alle Erfolgsstücke des vergangenen Jahres zu schicken, aus denen sie lediglich solche auswählen wird, die von ihr in diesem Sinne bearbeitet werden könnten. Die Stücke
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