Bélas Sünden
und dabei sagte:
»Meine Schulden.« Dann richtete er sich wieder auf und wollte zur Tür.
»Warten Sie!«, rief ich ihm nach, so viel
Geistesgegenwart besaß ich noch.
»Sie bekommen noch einen Pfennig zurück.«
Er drehte sich um.
»Behalten Sie ihn als Glücksbringer.« Abends schrieb ich weiter, eine äußerst gewagte Liebesszene. Der Pfennig lag neben der Schreibmaschine. Da lag er lange. Wenn ich die Maschine wegräumte, klebte ich ihn mit einem Stückchen Tesafilm in den Kofferdeckel. Am nächsten Abend legte ich ihn wieder auf den Tisch. Wenn ich ihn anschaute, sah ich gleichzeitig Bélas Hand. Und dann konnte ich seitenweise beschreiben, wie diese Hand eine Frau in Ekstase versetzte.
Ich wollte ihn damals nicht wirklich. Vielleicht hatte ich immer noch ein wenig Angst vor einem Ledergürtel.
Vielleicht hatte ich auch Angst, mit einem Mann konkurrieren zu müssen und den Kürzeren zu ziehen. Oder es war die Gewissheit, dass eine Seifenblase platzt, wenn man sie mit dem Finger berührt. Und da war immer noch Heinz. Ich hatte mich in den vierzehn Tagen nicht aufraffen können, ihm endgültig den Laufpass zu geben. Man schickt nicht so einfach einen Mann in die Wüste, der davon gesprochen hat, in den Himmel zu fahren. Ich wollte nur von Béla träumen. Und ein bisschen schreiben, was wäre wenn. Ich gewöhnte mich daran, erst kurz nach neun die Maschine auf den Küchentisch zu stellen. Bis dahin bestand die Gefahr, dass Sonja plötzlich hinter mir auftauchte und ein paar Zeilen mitlas. Und was ich zu Papier brachte, war nicht für die Augen einer Elfjährigen geeignet. Was immer ich mir jemals vorgestellt hatte, beschrieb ich in allen Details. Den berühmten roten Faden hatte das Ganze vorerst nicht. Aber ich machte mir schon ein paar Gedanken darüber, was sich neben den Bettszenen abspielen sollte. Mir schwebte da etwas vor, der ewige Kampf der Geschlechter, eine Beziehung von der Art, in der es unentwegt knistert und ab und zu kracht.
Wenn ich heute darüber nachdenke, es könnte eine Vorahnung gewesen sein. Es war in den ersten Jahren mit Béla so, wie ich es damals beschrieb. Wie sagt man?
»Das Leben schreibt die besten Geschichten.« Es stimmt. Das Dumme ist nur, die besten sind nicht unbedingt die von Liebe und Glück. Es sind eher die beschissenen, verlogenen, grausamen, die man kaum erträgt. Davon ist die Welt voll. Ich hatte mich doch nur umschauen müssen. Und seit ich im August nach dem Genuss eines Geflügelsalats mit Salmonellen und dem Anblick meines Mannes mit heruntergelassener Hose vor einem Tisch im Lokal zusammengebrochen war, hatte ich mich sehr genau umgeschaut. Natürlich gibt es Paare wie meine Eltern, die nebeneinander alt werden konnten und zufrieden waren. Oder solche wie Herr und Frau Biedermann aus Frankfurt, die gemeinsam zu einer kulturellen Veranstaltung gehen und sich kopfschüttelnd anhören, wie eine scheinbare Emanze über Männer denkt. Die Hand in Hand heimgehen und sich fragen, was aus der Welt geworden ist, wenn nun auch noch die Frauen über Mord und Totschlag schreiben. Und es gibt solche wie Heinz und Meta Böhring, die es gar nicht schaffen konnten. Weil es Dinge gibt, die einen Menschen so völlig aushöhlen, dass nur die äußere Hülle bleibt. Ich sah damals nur diese Hülle. Meta, die keinen Wert auf die Zärtlichkeit ihres Mannes legte, in Haushalt und Kindern aufging und sich darüber so vernachlässigte, dass der Ausdruck Fischdose direkt aus der Luft gegriffen sein konnte, die sie umgab. Und Heinz, der auch nur ein paar Träume hatte, die er begraben musste. Der sich ein paar Jahre lang in der Nachbarschaft holte, was ihm im eigenen Bett versagt blieb. Der es, als auch die Nachbarschaft nicht mehr wollte, anderswo suchen musste und teuer dafür bezahlte.
Aber ich konnte doch das Verhältnis mit ihm nicht bis in alle Ewigkeit fortsetzen. Nachdem Sonja mir von der Fischdose erzählt hatte, sprach ich mit Meta. Nicht über meinen einsamen Entschluss, von nun an auf ihren Mann zu verzichten. Nicht über die Zeit, die man sich als Frau, auch bei drei Kindern, für sich selbst nehmen sollte. Nicht über das angenehme Gefühl am Morgen, frisch geduscht und geföhnt vor dem Spiegel im Bad. Und nicht über die Dinge, die ein Mann braucht. Ich hatte mir das zwar fest vorgenommen, aber ich brachte kein Wort davon über die Lippen. Wie sie mir gegenüberstand in ihrer Küche, konnte ich doch nicht in Wunden stochern, die vermutlich ich gerissen hatte. Es roch
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