Bélas Sünden
nach angebranntem Pudding. Meta knispelte an ihren Fingernägeln. Sie waren alle abgekaut oder abgebrochen. Und obwohl kaum noch ein Stückchen Nagel über die Fingerkuppen ragte, war unter jedem Nagel ein dunkler Rand. Es sah aus, als hätte sie versucht, den angebrannten Pudding aus dem Topf zu kratzen.
Wahrscheinlich hatte sie das auch getan. Ich sprach nur darüber, dass Sonja nun alt genug war, um alleine zurechtzukommen. Dass sie ab sofort keine Aufsicht und kein warmes Mittagessen mehr brauchte. Meta nickte stumm, steckte den Daumen in den Mund, lutschte daran und versuchte, mit den Zähnen einen Rest vom Pudding zu erwischen. Ich hatte ihr bis dahin jeden Monat etwas für Sonjas Betreuung bezahlt. Schon in den nächsten Tagen schaute sie sich nach einer Putzstelle um, um ihre anscheinend doch knappe Haushaltskasse aufzupolstern. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, als sie mir erzählte, sie hätte eine Stelle gefunden. Anfangs putzte sie bei älteren Leuten, später fand sie eine feste Anstellung und putzte am Nachmittag in der Grundschule.
Da war Sonja doch wieder die meiste Zeit nebenan, um die Kinder zu hüten, wenn Heinz auf Schicht war. Meta bot als Gegenleistung noch einmal das Mittagessen an, aber Sonja wollte nicht. Mittags brutzelte sie sich alleine etwas zurecht. Hin und wieder wischte sie auch den Staub vom Bücherregal und vom Fernseher. Ansonsten blieb viel Hausarbeit liegen, meine, nicht ihre. Die wurde prompt erledigt, und regelmäßig wurden mir die Einser vorgelegt.
Ich war stolz auf sie. Und ich war stolz auf mich. Die erste Geschichte, zu der Béla mich inspiriert hatte, die mit dem innigen Kuss am Schluss, hatte ich verkauft und ein dickes Kompliment dafür eingeheimst. Da war von Lebensnähe die Rede und von einer Wirkung wie aus einem Guss geschmiedet. Ich hatte sie ja auch an einem Stück heruntergeschrieben. Manchmal stellte ich mir vor, eines Tages nur noch zu schreiben. Und abends mit einem Mann auf der Couch zu sitzen, mit meinem Mann! Seinen Kopf im Schoß, ein paar Blätter in der Hand. Vorlesen, keine Heile-Welt-Geschichten mehr, sondern richtig gute Sachen.
Béla kam regelmäßig alle vierzehn Tage, meist freitags. Er kaufte sich quer durch die Pflegeserie. After Shave und Eau de Toilette, Duschgel und Deo. Ich mochte den Duft, ich mochte die Art, wie er sich anzog, locker und lässig, verwaschene Jeans und weiße Baumwollhemden, die er den Sommer über halb offen trug, Tennissocken und Sportschuhe. In der Aufmachung wirkte er noch jünger. Vielleicht hatte ich deshalb anfangs so große Hemmungen. Oder es lag an dem BMW mit Kölner Kennzeichen, an dem blonden Jüngling, der manchmal vor der Tür auf ihn wartete – manchmal, nicht immer. Oder es lag an Heinz und meiner Unfähigkeit, ihm zu sagen, dass es vorbei war, vorbei sein musste, weil ich einen anderen im Auge hatte.
Es dauerte drei Monate, in denen sich viel veränderte. Nur bei mir. Einmal äußerlich, neue Frisur, neues Parfüm. Béla bemerkte von all dem nichts. Für ihn war und blieb ich die Kassiererin im Drogeriemarkt, mit der er zwar schäkerte, aber wenn er zur Tür hinausging, hatte er sie bereits vergessen. Heinz dagegen registrierte die Veränderungen, die äußeren ebenso wie die inneren. Die waren vermutlich gravierender. Und er kannte mich gut genug, um zu wissen, was los war. Er machte es mir leicht. Ich musste nicht viel erklären. Nicht einmal, dass es jetzt endgültig war. Er fühlte es. Irgendwann in diesen drei Monaten stellte er fest:
»Du hast jemanden kennen gelernt.«
Ich nickte, rechnete damit, dass er Fragen stellte. In der Zeit, als ich noch regelmäßig mit den zwei Kolleginnen nach Köln gefahren war, hatte er das getan. Jetzt nicht, er sagte nur:
»Mach’s besser als ich, Lisa.«
Zwei Tage später kaufte er sich ein Motorrad. Ich hatte Angst um ihn. Meta auch. Als er zum ersten Mal in der schwarzen Lederkluft und mit dem Helm unter dem Arm die Wohnung verließ, kam sie zu mir.
»Er wird sich den Hals brechen«, erklärte sie.
»Er hat seit Jahren nicht mehr auf so einem Ding gesessen. Hast du gesehen, wie er losgerast ist?« Das hatte ich und mich dabei gefühlt wie ein Henker. Meta starrte mich an, erkundigte sich:
»Hast du ihm wieder mal ’nen Tritt gegeben?« Sie war sehr aufgebracht, sprach weiter, bevor ich antworten konnte.
»Darf ich erfahren, was diesmal in dich gefahren ist? Allmählich müsstest du doch begriffen haben, dass du am Ende wieder bei ihm landest. Also was
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