Bélas Sünden
betrogener Mann. Nicht betrogen im herkömmlichen Sinne. Ein Mann, der seine Träume gehabt hatte und sie begraben musste, einen nach dem anderen, bis ihm nichts mehr blieb. Das gibt es auch, sogar oft, dass Männer die Opfer sind. Auch wenn sie es nicht wahrhaben wollen und sich ihrem Elend zum Trotz der Welt und ihrer ehemaligen Geliebten gegenüber weiterhin als strahlende Karatekämpfer, freiheitsliebende Motorradfahrer oder geschickte Heim- werker präsentieren. Ich begann mit dem Schluss, richtig schön ergreifend. Wie er sich aufs Motorrad setzt, in der schwarzen Lederkluft und mit dem Helm auf dem Kopf immer noch wie ein junger, dynamischer Mann wirkend. Und wie es drinnen aussah, ging keinen etwas an. Zerbrochen! Ein Scherbenhäufchen dort, wo früher das Herz war, Spinnweben um die Seele, ausgetrocknet und verstaubt nach achtzehn trostlosen Ehejahren. Er denkt nicht mehr an Frau und Kinder, nicht einmal mehr an die schöne Tochter, die ihm lange Jahre ein kleiner Lichtblick war, jetzt jedoch in ein Alter kam, in dem Papa unwichtig wurde, auch wenn sie hin und wieder mit ihm ins Kino ging. Er denkt nur noch an Brückenpfeiler und Lastwagen, an scharfe Kurven und eine glitschige Fahrbahn, auf der ein Motorrad leicht ins Rutschen geriet. Ein herrliches Psychodrama, soziale Realität. Eine lieblose Ehe und ein ganz normaler Verkehrsunfall im November. Ich fand die Szene phantastisch, wenn ich mir auch beim besten Willen nicht vorstellen konnte, dass Heinz sich eines Tages tatsächlich auf seine Maschine setzte, um sein tristes Dasein in der von mir beschriebenen Form zu beenden. Er mochte früher einmal davon gesprochen haben, aber die Zeit hatte vieles verändert. Heinz hatte sich mit den Jahren ein paar kleine Trösterchen zugelegt. Das Motorrad für Freiheit und Abenteuer, seine älteste Tochter als Dekoration und für den Vaterstolz. Und für das, was der Mann sonst noch braucht, hatte er auch eine stille Ecke gefunden. Ich wusste nicht, wie sie hieß, wie alt sie war, wie sie aussah, das spielte auch gar keine Rolle. Ich wünschte ihm von ganzem Herzen, dass er zufrieden war und dass sie ihn für ein paar Stunden in der Woche vergessen ließ, was ihm das Leben mit Meta und den Kindern vorenthielt. Ich wünschte es ihm wirklich. Leider gehen nicht alle Wünsche in Erfüllung. Heinz war fünfundvierzig und sah immer noch sehr gut aus, als ich ihn zur Hauptfigur meines neuen Romans machte. Er war seit achtzehn Jahren verheiratet, Vater einer schönen und zweier unscheinbarer Töchter. Meta mochte mehr als dreimal mit ihm geschlafen haben. Ich wusste nicht genau, wie lange es gedauert hatte, ehe sie mit Marion oder Anika schwanger geworden war, bei Susanne hatte jedenfalls einmal gereicht. Und viel mehr war da nie gewesen. Heinz hatte mir nicht in typischer Fremdgängermanier etwas vorgelogen. Sonja hatte es bestätigt. Mit meiner Tochter hatte Meta mehr als einmal offen über ihr Eheleben und ihre Bedürfnisse gesprochen. Und meine Sonja hatte sich daran orientiert. Mit vierzehn Jahren empfand sie es noch als eklig, eine fremde Zunge in den Mund geschoben zu bekommen, von anderen Körperteilen ganz zu schweigen. Mit fünfzehn teilte sie mir einmal beiläufig mit, dass sie wahrscheinlich eines Tages ein Kind haben würde, man konnte sich ja künstlich befruchten lassen. Mit sechzehn stellte sie fest, dass eine Adoption einem leiblichen Nachkommen vorzuziehen sei, einmal, weil es in Indien und anderswo so viele arme Kinder gab, dann natürlich auch, weil man sich auf diese Weise die Plackerei der Schwangerschaft ersparte. Meine Sonja! Mit siebzehn versuchte sie ein paar Mal, ihren angehenden Stiefvater zu provozieren, entschloss sich nebenbei, Biologie zu studieren, und träumte davon, eines Tages viele kleine Retortenbabys heranzuzüchten für Frauen, die ihre und Metas Einstellung in punkto Sexualität teilten. Meine Sonja, die mit einundzwanzig… Ende April war sie für zwei Tage bei uns gewesen, hatte sich eine ekelhafte Erkältung eingefangen. Und wir hatten doch so ein schönes Gästezimmer. Am zweiten Abend saßen wir zusammen, und sie erzählte mir, dass sie kürzlich mit einem Mann geschlafen habe. Zum ersten, wahrscheinlich auch zum letzten Mal. Sie hatte nur wissen wollen, wer die Sache richtig darstellte, Meta oder ich. Jetzt wusste sie es. Es lohnte wirklich nicht, sich von einem Mann das Leben und den Unterleib durchrütteln zu lassen. Es war enttäuschend gewesen. Ich weiß nicht, wen sie sich
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