Bélas Sünden
blieb. Er zuckte mit den Schultern. Einmal wollte er rasch zur Bank, ein andermal waren es die Unterlagen für den Steuerberater, die er noch zusammenstellen musste, oder die Fahrt zum Steuerberater. Es war immer etwas anderes, Ausreden gab es genug. Er wollte nichts hören über den neuen Roman. Und ich hatte keine Lust, allein in der Sonne zu liegen. Da ging ich lieber hinauf und schrieb noch ein paar Seiten. Schrieb mich durch die ersten Nächte, in denen das Kind in die Arme des Vaters flüchtet, dort nur Trost sucht und stattdessen Zudringlichkeit findet. Eine fremde, ungewohnte Zärtlichkeit, Küsse auf den Mund, Hände auf den Schenkeln. Das Kind duldet sie aus Furcht, auch den Vater zu verlieren, wenn es sich ihm widersetzt. Und der Mann ist sehr behutsam, er geht nicht gleich bis zum Äußersten. Dann ein Zeitsprung. Der junge Mann im Krankenhaus, seine Angst, die Schmerzen, die Verzweiflung, die Minuten, in denen er Hoffnung schöpft. Wenn die Krankenschwester an seinem Bett sitzt. Eine Szene, in der sie ihm das Bein massiert, sich höher und höher hinaufarbeitet, sein Glied umfasst. Ihren Blick dabei, der feste Griff, die Teilnahmslosigkeit. Sezierend nannte ich ihren Blick. Mir schien der Ausdruck so treffend, obwohl vielleicht etwas anderes dahinter gesteckt hatte. Vielleicht war Heinz in solchen Momenten für sie das hilflose Opfer. Einer, an dem sie sich rächen konnte, einer, der ihr das Gefühl von Macht gab. Aber das hatte er nicht begriffen. Nach ihrem Dienst ging sie heim, und dort war einer, gegen den sie sich nicht wehren konnte. Ich hatte anfangs große Probleme mit den Szenen, in denen Vater und Tochter alleine agierten. Es war eine Situation, die ich nicht nachvollziehen konnte. Mit dem eigenen Vater! Allein die Vorstellung jagte mir kalte Schauer den Rücken hinunter. Ich hatte ihn ja ein paar Mal zu Gesicht bekommen damals, ein großer, stattlicher, irgendwie beeindruckender Mann war er gewesen. Aber wenn ich darüber nachdachte, sah ich unweigerlich mich mit meinem Vater im Bett liegen. Und für mich war mein Vater immer ein alter Mann gewesen. Ich hatte ihn nie jung gesehen. Es gab Fotos von ihm, sogar Kinderfotos. Aber auf den alten Fotos war er nicht mein Vater. Mein Vater war für mich nie schlank gewesen, seine Hände sah ich immer nur rau und rot, grobe Hände, die zupacken konnten, aber keine Zärtlichkeit hatten. Dass er mich mit diesen Händen anfasste, meine Brust berührte, mir den Slip auszog, da kam der pure Ekel hoch. Metas Ekel war der rote Faden, der sich durch den Roman ziehen musste. Doch Metas Ekel erschöpfte sich in dem Satz:
»Ich bring das einfach nicht mehr, den alten Säcken den Hintern zu waschen.«
Als sie das sagte, war sie fast sechsundzwanzig und hochschwanger. Vom eigenen Vater! Knapp zwei Jahre vorher hatte sie Heinz kennen gelernt. Und er hatte ihr schon nach kurzer Zeit deutlich zu verstehen gegeben, dass sie ihm gefiel. Warum hatte sie die Gelegenheit nicht beim Schopf ergriffen? Und sie hätte auch vorher schon Gelegenheit gehabt, dem Martyrium daheim zu entfliehen, fand ich. Zuerst war sie ein hilfloses, abhängiges Kind gewesen. Aber irgendwann war sie eine junge Frau im Beruf, die ihr Geld verdiente, die sich unabhängig hätte machen können. Getan hatte sie das nicht. Ich verstand es nicht, ging von mir aus und von dem, was ich getan hätte. Irgendwann kam ich zu dem Schluss, dass Meta mit dieser Beziehung einverstanden gewesen sein musste, weil sie nie versucht hatte auszubrechen. Also noch einmal von vorne. Das Kind im Bett des Vaters, die ersten Zärtlichkeiten, nichts daran ist erschreckend oder abstoßend. Zu Anfang ist daran nicht einmal etwas ungewöhnlich. Vater und Tochter hatten schon immer eine sehr enge Beziehung. Der Tod der Mutter schweißt sie nur enger zusammen. Irgendwann ist kein Platz mehr für einen Dritten. Aber er kommt. In Gestalt eines jungen Mannes, der bereit ist, mit seinem Leben abzuschließen. Mit diesem Übergang hatte ich noch größere Schwierigkeiten als mit dem Anfang. Es war so widersprüchlich. Wenn Meta ihren Vater geliebt hatte, so geliebt, wie ich es beschrieb, was hatte sie dann dazu veranlasst, sich an Heinz zu vergreifen? Neugier auf einen jungen Mann? Oder hatte sie sich verliebt? War sie sich plötzlich der Tatsache bewusst geworden, dass sie seit langem in einer verbotenen Beziehung lebte? Dass sie sich inzwischen selbst strafbar machte, wenn sie mit ihrem Vater schlief? Vielleicht war es der Versuch
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