Belgarath der Zauberer
seine mächtige Stimme konnte man wahrscheinlich im ganzen Tal vernehmen. »Meine Brüder fanden einen Weg, nach Mallorea zu gelangen.«
Ich warf einen raschen Blick auf Eisenfaust und Flinkfuß.
Riva war fast ebenso groß wie Dras, aber schlanker. Er trug einen langen schwarzen Bart, was ihm wohl ein grimmiges Aussehen verleihen sollte; seine freundlichen blauen Augen jedoch bezeugten seinen friedfertigen Charakter. Algar, der stille Bruder, war glatt rasiert und hatte die langen Gliedmaßen eines Jagdhundes. »Wir waren auf der Jagd«, erklärte Riva. »Im hohen Norden gibt es weiße Bären, und weil im Frühjahr Mutters Geburtstag ist, wollen Algar und ich ihr einen weißen Fellumhang schenken. Das würde ihr gefallen, nicht wahr?« Riva strahlte eine jungenhafte Unschuld aus. Er war gewiß nicht dumm. Er war nur stets enthusiastisch und darauf bedacht, es den Leuten recht zu machen. Manchmal schien er geradezu überzusprudeln vor Begeisterung.
Algar sagte natürlich nichts. Er redete fast nie. Ich kannte keinen anderen Mann, der so schweigsam war wie er.
»Ich hörte von diesen weißen Bären«, sagte ich. »Ist die Jagd auf sie nicht ziemlich gefährlich?«
Riva zuckte mit den Achseln. »Wir waren zu zweit«, sagte er – als machte das einen Unterschied für einen Bären, der vierzehn Fuß groß war und nahezu eine Tonne wog. »Wie dem auch sei, das Eis ist sehr dick in den nördlichen Meeren. Wir verwundeten einen Bären, und er versuchte, uns zu entkommen. Wir verfolgten ihn, und dabei entdeckten wir die Brücke.«
»Welche Brücke?«
»Die Brücke nach Mallorea.« Er sagte das so leichthin, als wäre es nichts Besonderes, etwas entdeckt zu haben, wonach die Alorner seit zweitausend Jahren gesucht hatten.
»Wollt ihr mir nicht ein paar Einzelheiten über diese Brücke erzählen?« schlug ich vor.
»Das wollte ich gerade, östlich von Morindland erstreckt sich eine Landzunge weit nach Osten, und eine andere ragt ihr aus dem Westen entgegen, aus dem Land der Karandeser in Mallorea. Eine Reihe kleiner, felsiger Inselchen verbindet diese beiden Landzungen. Der Bär war uns irgendwie entwischt. Es war neblig an diesem Tag, und es ist sehr schwer, einen weißen Bären im Nebel auszumachen. Algar und ich waren neugierig; deshalb überquerten wir das Eis und folgten den Inseln. Am Nachmittag kam dann eine Brise auf und blies den Nebel fort, und da konnten wir Mallorea sehen. Wir beschlossen aber, nicht weiter vorzudringen. Es hätte keinen Sinn, Torak wissen zu lassen, daß wir die Brücke entdeckt haben, oder? Wir kehrten um. Unterwegs begegneten wir einem Stamm Morindim. Sie erzählten uns, daß sie die Brücke seit Jahrhunderten benutzten, um die Karandeser zu besuchen. Ein Morindim gibt dir für eine Kette aus Glasperlen alles, was er besitzt, und die karandesischen Händler scheinen das zu wissen. Die Morindim tauschen Walroßstoßzähne aus Elfenbein und kostbarste Otterfelle und die Felle der gefährlichen weißen Bären gegen Glasperlenketten, die man in jedem Land für ein paar Münzen kaufen kann.« Er verzog das Gesicht. »Ich kann es nicht ausstehen, wenn Leute andere betrügen. Was meinst du dazu?« Riva hatte eindeutig seinen eigenen Standpunkt.
Bärenschulter warf mir ein bedauerndes Lächeln zu. »Wir hätten schon vor Jahren diese Entdeckungen machen können, wenn wir daran gedacht hätten, einige Zeit bei den Morindim zu verbringen. Um einen Weg nach Mallorea zu finden und den Krieg gegen die Angarakaner fortzusetzen, haben wir zweitausend Jahre lang den gesamten Norden auf den Kopf gestellt, und die Morindim kannten die ganze Zeit diesen Weg. Man sollte seinen Nachbarn wirklich mehr Aufmerksamkeit schenken.«
Soweit ich mich erinnern kann, war dies ziemlich genau der Wortlaut unserer Unterhaltung. Jene von euch, die das Buch von Alorn gelesen haben, werden feststellen, daß die Priester Belars, welche diese älteren Abschnitte zu Papier brachten, sich viel Freiheit beim Niederschreiben dieses Materials genommen hatten. Das beweist wieder einmal, daß man sich nie darauf verlassen kann, daß ein Priester sich genau an die Tatsachen hält.
Ich blickte Cherek Bärenschulter scharf an, denn ich konnte mir vorstellen, wohin das führen würde. »Das ist alles sehr interessant, Cherek, aber warum erzählt ihr es mir?«
»Wir dachten, es interessiert Euch, Belgarath«, sagte er mit gekonnt unschuldigem Ausdruck. Cherek war ein gescheiter Mann, doch manchmal konnte er schrecklich durchschaubar
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