Belgarath der Zauberer
die Hitze nicht draußen, und stets stören sie, wenn man aus dem Fenster schauen will. Aus irgendeinem Grund haben Frauen das Gefühl, daß ein Raum ohne Vorhänge nicht vollständig ist.
Vielleicht mußte Poledra auch, wie viele andere schwangere Frauen, die morgendliche Übelkeit über sich ergehen lassen; wenn es so war, erzählte sie mir nichts davon. Poledra ist stets mit den ersten Sonnenstrahlen auf, ich aber schlafe gern lange, wenn ich nichts Wichtiges zu tun habe. Ungeachtet dessen, was meine Tochter darüber denkt, ist das kein Zeichen von Faulheit. Bei Tagesanbruch bin ich eher wortkarg; ich bevorzuge die abendlichen Unterhaltungen. Wie dem auch sei, ob Poledra diese morgendliche Übelkeit ertragen mußte oder nicht, sie machte auf jeden Fall kein Aufhebens davon. Allerdings entwickelte sie diese merkwürdigen kulinarischen Gelüste. Als sie die ersten Male nach ausgefallenen Naschereien verlangte, stellte ich das ganze Tal auf den Kopf, um solche Köstlichkeiten für sie zu finden. Als ich dann aber feststellen mußte, daß sie nur ein paar Bissen davon zu sich nahm, fing ich zu mogeln an. Ich war nicht bereit mir Flügel wachsen zu lassen und zum nächsten Ozean zu flattern, nur weil sie nach Austern verlangte. Eine künstlich geschaffene Auster schmeckte fast ebenso wie eine echte, und Poledra gab vor, den Unterschied nicht zu bemerken.
Als sie dann im fünften Monat war, machten wir uns Gedanken um die Wiege. Ich war ein wenig gekränkt als sie statt meiner die Zwillinge bat die Wiege zu bauen. Ich protestierte, doch sie sagte mir geradeheraus: »Du kannst mit Werkzeug nicht umgehen.« Sie packte meinen Lieblingsstuhl und rüttelte daran. Ich gebe zu, daß er ein wenig wackelte, aber er ist in den tausend Jahren, die ich auf ihm gesessen hatte, nicht zusammengebrochen. Das ist doch wirklich stabil genug, oder? Die Zwillinge machten sich mit Eifer an die Arbeit. Wenn man es nüchtern betrachtet ist eine Wiege nichts weiter als ein kleines Bett aufgeschwungenen Kufen. Die Zwillinge bauten ihre Wiegen mit kunstvoll gedrehten Kufen und aufwendig beschnitzten Kopfstücken.
»Warum zwei?« fragte ich meine Frau, nachdem Beltira und Belkira stolz ihre Werkstücke bei uns abgeliefert hatten.
»Es kann nicht schaden, für alle Eventualitäten gerüstet zu sein«, erwiderte Poledra »Es kommt nicht selten vor, daß mehrere Junge zur selben Zeit geboren werden.« Sie legte ihre Hand auf ihren gewölbten Bauch. »Bald werde ich die Herzschläge zählen können. Dann weiß ich, ob zwei Wiegen genug sind.«
Ich dachte über diese Antwort nach und beschloß, dieses Thema nicht weiter anzuschneiden. Es gab Dinge, über die ich nicht einmal nachdenken wollte, geschweige denn darüber reden.
Poledra mag ihre Schwangerschaft nicht bemerkenswert gefunden haben, aber bei mir war das anders. Ich war so stolz, daß ich vermutlich für alle um mich herum unerträglich wurde. Mein Meister ertrug meine Prahlereien jedoch amüsiert und mit liebevoller Nachsicht, und die Zwillinge waren fast ebenso begeistert wie ich. Schäfer werden ganz romantisch, wenn die Paarungszeit der Lämmer beginnt. Deshalb vermute ich, daß ihre Reaktion völlig normal war. Beldin jedoch konnte es schließlich nicht mehr ertragen, mich um sich zu haben, und zog nach Tolnedra, um sich über die zweite honethitische Dynastie zu informieren. Die Tolnedrer bauten zu der Zeit Handelsbeziehungen mit den Arendern und den Nyissanern auf, und die Honethites waren immer schon auf Erwerb aus. Wir wollten auf jeden Fall vermeiden, daß ihnen Eroberungsgedanken in den Sinn kamen. Ein Krieg zwischen den Göttern war wirklich genug gewesen, vielen Dank.
Der Winter kam früh in diesem Jahr, und er schien viel härter zu werden als gewöhnlich. Der Frost brach im hohen Norden die Bäume auf, und der Schnee lag unvorstellbar hoch. Dann, an einem bitterkalten Tag, als Schnee wie harter Schrot vom Himmel fiel, kamen vier Alorner ins Tal, die bis über die Ohren in Felle gehüllt waren. Ich konnte sie schon aus einiger Entfernung an ihrer Größe erkennen.
»Es ist gut, Euch zu sehen, altehrwürdiger Belgarath«, grüßte mich Cherek Bärenschulter, als ich hinausging, um ihn und seine Söhne zu begrüßen. Ich wünschte wirklich, die Leute würden mich nicht so nennen.
»Du hast einen weiten Weg hinter dir, Cherek«, bemerkte ich. »Gibt es ein Problem?«
»Ganz im Gegenteil, Ehrwürdiger«, donnerte Dras Stiernacken. Dras war größer als sein Vater, und
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