Bell ist der Nächste
Urteilsfähigkeit zu bezweifeln.«
Er stand auf und nahm mein Protokoll vom Tisch. »Also, nein. Ich möchte Ihnen keinerlei Fragen stellen. Ich möchte nicht hören, welchen Bären auch immer Sie mir aufbinden wollen. Ich würde es vorziehen, wenn Sie einfach nur gingen und sich aus der Sache heraushielten.«
Ich ging – aus dem Pausenraum hinaus und den Flur entlang bis zur Treppe. Dort stieß ich auf Elizabeth. Sie kam gerade von dem Verhör mit Matthew Kenneally. Sie begleitete mich zur Eingangshalle hinunter und in die Nacht hinaus.
Es war ein wenig abgekühlt, und die Straßenlaternen warfen auf alles ein helles, irreales Licht. Die Risse in den Gehsteigen waren überdeutlich zu erkennen, gerade so, als wären sie dort eigens angebracht worden. Ein Stück entfernt hörten wir Musik und Stimmen – das Nachtleben in der Liberty Street. Wir kehrten ihm den Rücken zu und schlenderten davon.
»Hast du irgendetwas in Kenneallys Kühltruhe gefunden?«, fragte ich.
»Wir haben nicht nachgeschaut«, sagte sie.
»Wartest du auf einen Durchsuchungsbefehl?«
Sie nahm meinen Arm. »Es wird keinen Durchsuchungsbefehl geben, David. Lark hat eine Kühltruhe in der Garage gesehen. Von da aus ist es ein gewaltiger Sprung zu der Vermutung, dass sich darin eine Leiche befindet. Kein Richter wird diesen Sprung mitmachen.«
»Und Kenneally würde einer Durchsuchung nicht zustimmen?«
»Kenneally muss überhaupt nichts zustimmen. Er hat einen Anwalt, der ihm das gesagt hat. Die ganze Idee, dass er der fünfte Mann des Great Lakes Bankraub sei – behauptet er, ist nichts anderes als eine wüste Anschuldigung vonseiten Larks.«
»Glaubst du ihm?«
»Es ist völlig egal, was ich glaube«, sagte sie. »Alles, was zählt, ist, was ich beweisen kann.«
48
Elizabeth und Shan hatten Kenneally zur Notaufnahme der Universitätsklinik begleitet, wo ein Arzt ihn untersuchte und seinen gebrochenen Finger schiente.
Kenneallys Frau hatte Kontakt zur Kanzlei Harris und Chatterjee aufgenommen, und Rex Chatterjee persönlich hatte schon in einem Verhörraum gewartet, als Elizabeth und Shan Kenneally zur City Hall brachten. Nachdem er unter vier Augen mit seinem Klienten gesprochen hatte, kündigte Chatterjee an, dass Kenneally bereit wäre, eine Aussage zu machen.
Kenneally berichtete ihnen von den Ereignissen am späten Nachmittag, beginnend mit der Entdeckung, dass Anthony Lark in sein Arbeitszimmer eingebrochen war. In einem ausdruckslosen, distanzierten Tonfall beschrieb er Larks launisches Verhalten und dessen bizarre Vorwürfe, was den Überfall auf die Great Lakes Bank und die Entführung Lucy Navarros anbelangte. Als Lark eine Waffe gezogen habe, sagte Kenneally, habe er um sein und das Leben seiner Frau und seiner Kinder gefürchtet. Er habe instinktiv nach der Waffe gegriffen, und bei dem nun folgenden Kampf habe sich ein Schuss gelöst.
Rex Chatterjee saß die ganze Zeit ungerührt daneben, ein pummeliger Mann in einem Maßanzug. Als Kenneally fertig war, fuhr sich Chatterjee mit den Fingern durchs graue Haar und sagte: »Sie werden meinen Klienten sicher nicht irgendeines Verbrechens anklagen. Einen eindeutigeren Fall von Notwehr kann ich mir kaum vorstellen.«
»Wir haben dennoch ein paar Fragen«, sagte Elizabeth, »wenn Ihr Klient so freundlich wäre.«
Chatterjee machte eine ungeduldige Handbewegung. »Wenn es sein muss.«
»Verfolgen Sie die Nachrichten, Dr. Kenneally?«, fragte Elizabeth.
»Ja«, sagte Kenneally.
»Als Henry Kormoran vor eineinhalb Wochen tot in seiner Wohnung aufgefunden wurde, war Ihnen das also bekannt?«
»Ich hatte davon gehört.«
»Und Sie haben nicht daran gedacht, dass Lark dafür verantwortlich sein könnte? Sie wussten doch, dass er eine ungesunde Obsession für Kormoran hegte, oder?«
Chatterjee mischte sich ein. »Sie können nicht erwarten, dass mein Klient mit Ihnen darüber diskutiert, was für Obsessionen Anthony Lark gehabt haben mag oder auch nicht. Diese Information ist vertraulich.«
Elizabeth hob die Augenbrauen. »Dr. Kenneally hat uns gerade erzählt, dass Lark ihn beschuldigt hat, einer der Great-Lakes- Bankräuber gewesen zu sein. Sollen wir etwa annehmen, dass er sich Larks Ansichten zu Kormoran und den anderen nicht bewusst war?«
»Ich war mir dessen bewusst«, sagte Kenneally.
»Aber als Kormoran ermordet wurde, haben Sie nicht daran gedacht, Kontakt zur Polizei aufzunehmen?«
»Ich wusste nichts von Anthonys Beteiligung an dieser Sache.«
Kenneallys
Weitere Kostenlose Bücher