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Bell ist der Nächste

Bell ist der Nächste

Titel: Bell ist der Nächste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Dolan
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konnten sich nicht damit herausreden, erst zwanzig zu sein. Der Mann konnte sehr unterhaltsam auftreten. Er hat im ganzen Land Vorträge über die Geschichte der amerikanischen Ureinwohner gehalten. Mir ist zu Ohren gekommen, die University of Michigan habe ihm eine unbefristete Professur angeboten. Er hat abgelehnt. Seinem Lebenslauf zufolge hatte er einen Abschluss sowohl in Princeton als auch in Berkeley, aber als man ihn nach dem Überfall auf die Great Lakes Bank genau unter die Lupe genommen hatte, nachdem ich ihn erschossen hatte, stellte sich heraus, dass das erfunden war. Er war überhaupt nie auf irgendeiner Universität gewesen.«
    Sonnenlicht fiel durch das Fenster und warf Schatten auf Spencers Gesicht. »Lambeau war zum Zeitpunkt des Bankraubs achtundvierzig, und sein Leben lang hatte er andere Menschen betrogen. Seine Lieblingsopfer waren Collegestudenten, intelligente, idealistische junge Leute. Sie kamen zu seinen Vorträgen, und manche blieben hinterher noch, um ein wenig weiterzureden. Er sammelte sie um sich, traf sich mit ihnen in kleinen Diskussionszirkeln. Die meisten von ihnen waren weiß und privilegiert, und er spielte mit ihren Schuldgefühlen. In Floyd Lambeaus Version der Geschichte waren die Europäer immer die Bösewichte. Was die Opfer anbelangte, tja, da war er durchaus flexibel. Mal waren es die Indianer, die ausgebeutet wurden – Lambeau behauptete, ein Chippewa zu sein. Mal war es eine gefährdete Pflanzenart oder die ganze Umwelt. Aber es gab immer irgendetwas, für das Lambeau zu kämpfen behauptete, irgendeine Bewegung oder wohltätige Aktion, die Unterstützung brauchte. Alles hörte sich für die jungen Leute in seiner Umgebung legitim an, und sie spendeten ihr Geld zugunsten irgendwelcher Vereine und Stiftungen. Aber das Geld verschwand in Lambeaus Tasche.«
    Spencer machte eine Pause, um mit dem Daumen über einen Fleck getrocknete Farbe auf seiner Rollstuhllehne zu reiben. Dann setzte er seine Geschichte fort.
    »Ich glaube, er hätte ewig so weitermachen können. Er hatte einen lukrativen Schwindel am Laufen, und niemand hegte irgendeinen Verdacht. Aber dem, was er mit seinen getürkten Spendenaktionen für wohltätige Zwecke einnehmen konnte, waren schlicht Grenzen gesetzt, und er suchte nach einem Geldsegen in größerem Maßstab. Das Geld war auch nur ein Teil des Ganzen. Ich glaube, Lambeau konnte nicht anders, als die Dinge immer weiterzutreiben. Es muss ihn amüsiert haben, wie leicht sich die Collegestudenten manipulieren ließen. Wie weit würden sie unter seiner Führung noch gehen?
    Als er Kormoran, Bell und Dawtrey für den Überfall auf die Great Lakes Bank anwarb, appellierte er an ihren Gerechtigkeitssinn. Er sagte, er brauche das Geld für eine gute Sache. Damals ging ein Fall durch die Presse – zwei Chippewa-Brüder namens Rosebear, die unter Mordverdacht verhaftet worden waren. Sie wurden beschuldigt, eine weiße Frau in Dayton, Ohio, vergewaltigt und getötet zu haben. Es gab einen Zeugen, der gesehen haben wollte, wie sie an jenem Tag in aller Eile das Haus der Frau verlassen hatten. Drinnen war alles voll von ihren Fingerabdrücken, und einer der beiden hatte Spuren zwischen den Laken des Opfers hinterlassen.
    Der Fall schien eindeutig zu sein – abgesehen von der Tatsache, dass die Rosebear-Brüder einen berechtigten Grund hatten, in dem Haus zu sein. Sie arbeiteten für die Frau, renovierten ihren Keller. Und was die DNA anbelangt, so sagte einer der Brüder, dass er eine Beziehung zu der Frau gehabt habe, eine Affäre, an der beide interessiert gewesen seien. Der Zeuge aber war ein Angestellter des Mannes des Opfers – zufällig ein prominenter Geschäftsmann mit Verbindungen in die Politik. Manche Leute hegten den Verdacht, dass er von der Affäre seiner Frau erfahren, sie im Affekt umgebracht und einen seiner Angestellten dafür bezahlt hatte, den Rosebear-Brüdern die Schuld in die Schuhe zu schieben.
    Diese Version der Geschichte ist vermutlich wahr, und es war die Version, die Kormoran, Bell und Dawtrey von Floyd Lambeau hörten. Den Rosebear-Brüdern drohte die Todesstrafe. Und sie waren weit davon entfernt, sich einen guten Verteidiger leisten zu können. Die Anwaltskosten würden höher liegen, als Lambeau hoffen konnte, durch Spenden aufzutreiben. Unübliche Maßnahmen waren erforderlich. Lambeau versprach, dass jeder Penny von dem Bankraub den beiden Brüdern zugutekommen würde. Natürlich war das eine Lüge: Er hatte nie vor, das

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