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Bell ist der Nächste

Bell ist der Nächste

Titel: Bell ist der Nächste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Dolan
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sich einigermaßen normal an, solange er sie ruhig hielt. Wenn er allerdings die Finger krümmte, empfand er einen Schmerz, als würde man ihm einen Stahldraht durchs Fleisch ziehen.
    Er hatte geduscht, sich rasiert und trug einen frisches blaues geknöpftes Hemd. Und er hatte einen sauberen Verband angelegt und mit Klebeband befestigt.
    Er blickte zur Arzthelferin an der Rezeption, sah, wie sie hinter dem Glasschiebefenster telefonierte. Er hatte keinen Termin, aber sie hatte versprochen, bei Dr. Kenneally zu intervenieren, damit er sich ihn ansah. Sie konnte den Arzt nicht bei der Behandlung eines Patienten unterbrechen, aber in ein paar Minuten würde er sich Zeit nehmen.
    Also wartete Lark in dem dunkel getäfelten Wartezimmer. Sieben Stühle – aber nur eine andere Patientin: eine verhuschte Frau, die sich hinter einem Exemplar von Entertainment Weekly zu verstecken versuchte.
    Die Luft in dem Raum war stickig und warm. Lark dachte, er hätte vielleicht Fieber, wegen der Entzündung in seiner Hand. Er brauchte Antibiotika. Dr. Kenneally konnte ihm ein Rezept ausstellen, er hatte Lark die Tabletten verschrieben, die er gegen seine Kopfschmerzen einnahm. Die Polizei wusste von Larks Hand, seine Verletzung war in den Nachrichten erwähnt worden. Also konnte er nicht zu jedem x-beliebigen Arzt gehen. Am Ende war alles eine Frage des Vertrauens. Lark vertraute darauf, dass Dr. Kenneally nicht einfach die Polizei holte.
    Lark wartete. Die Arzthelferin war immer noch am Telefon. Die Zeitschrift in seinem Schoß verdeckte seine linke Hand. Er blickte auf den weißen Adressaufkleber, auf die Buchstaben in Dr. Kenneallys Namen. Sie irritierten ihn.
    Die Buchstaben in »Matthew« besaßen ein kühles Braun wie das Holz eines gesunden Baumes, wenn man die Rinde abgeschält hat, »Kenneally« dagegen war dunkelbraun, fast schwarz. Die Buchstaben in »Kenneally« zerfielen in winzige Punkte, die umeinander herumschwirrten wie ein Schwarm Insekten. »Kenneally« endete mit einem »ly«. Es war kein Adverb, aber es war wie ein Adverb. Und Adverbien irritierten Lark, weil sie wie Schwärme herum schwirrten .
    Er drehte die Zeitschrift um, wollte den Aufkleber nicht länger sehen. Was war, wenn er einen Fehler gemacht hatte? Vielleicht hatte die Arzthelferin seine Hand gesehen. Oder sie hatte bemerkt, dass er sie zu verstecken versuchte, und das hatte schon gereicht, um ihr Misstrauen zu wecken. Was, wenn sie bereits mit Dr. Kenneally gesprochen und er ihr gesagt hatte, sie solle die Polizei verständigen? Sie war schon sehr lange am Telefon. Als er sie jetzt beobachtete, drehte sie sich um und starrte ihn direkt an.
    Lark sprang auf die Füße, die Zeitschrift fiel zu Boden. Er lief an der Rezeption vorbei und griff nach dem Türknauf der Eingangstür. Ohne nachzudenken, drehte er ihn mit der Linken, und der Stahldraht wühlte sich durch seine Hand.
    Er hörte, wie die Arzthelferin seinen Namen rief, aber er blickte nicht zurück. Er kämpfte gegen den Schmerz in seiner Hand an und rannte – den Flur entlang, die Treppe hinunter. Erst als er wieder an der frischen Luft war, verlangsamte er seinen Schritt, während ihm sein Atem schier die Lungen zerriss. Über seine Stirn liefen Schweißtropfen, während er über den Parkplatz zu seinem Chevy stapfte.

    Lark hielt an einer Marathon-Tankstelle in der Nähe der University of Michigan, um zu tanken. Er nahm den Zapfhahn mit seiner rechten Hand und ließ die linke herabhängen. Sein Hemdsärmel bedeckte fast den ganzen Verband.
    Er war von Dr. Kenneallys Praxis zu einem Einkaufscenter in der Nähe gefahren, wo er gewartet hatte, bis ihn die kühle Luft der Klimaanlage ein wenig abgekühlt hatte. Er wollte sich nur einen Moment ausruhen, aber als er die Augen wieder geöffnet hatte, musste er feststellen, dass beinahe zwei Stunden vergangen waren.
    Jetzt, mit vollem Benzintank, fuhr er in südlicher Richtung zu einem Wohnviertel mit stattlichen weißen Häusern, die von Weiden und Eichen und grünen Rasenflächen umgeben waren. Das Haus der Spencers überragte die anderen. Die hufeisenförmige Einfahrt war mit Steinen gepflastert und von einer niedrigen Hecke gesäumt. Lark entdeckte einen weißen Van in der Einfahrt. Er wusste, was das bedeutete. Der Van war mit einem Rollstuhllift ausgestattet. Harlan Spencer benutzte ihn, wenn er gemeinsam mit seiner Tochter auf Wahlkampftournee war.
    Dass der Van hier stand, bedeutete, dass Spencer zu Hause war, vielleicht auch Callie Spencer.

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