Bell ist der Nächste
Chippewa County‹, sagte er. ›Zumindest glaubt das der Sheriff‹.«
Dawtrey rollte seine Schultern zurück und wartete.
»Und?«, raunte Lucy. »Wollen Sie mir sagen, dass Harlan Spencer nicht Callies richtiger Vater ist?«
»Noch besser, Kusinchen«, sagte er mit einem schlauen Grinsen. »Denken Sie mal nach.«
Sie dachte nach, und allmählich dämmerte es ihr. »Lambeau?«
Dawtrey zwinkerte ihr zu. »Lässt Callie Spencer noch mal in einem völlig anderen Licht erscheinen, oder? Es ist eins, wenn sie die Tochter des Polizisten ist, der den Bankräuber erschossen hat. Es ist was ganz anderes, wenn sie die Tochter des Bankräubers ist. Dann würde sie nicht in den Senat kommen, oder?«
Langsam schüttelte Lucy den Kopf. »Das kann ich nicht drucken.«
»Ich sagte Ihnen ja schon, dass Sie das nicht drucken werden.«
»Ich bräuchte Beweise. Sonst ist alles bloß Gerüchteküche.«
»Dann besorgen Sie sich Beweise.«
»Das müsste dann schon DNA sein«, sagte sie. »Wie soll ich an ihre DNA herankommen?«
Dawtrey warf ihr einen enttäuschten Blick zu. »Sie machen mich traurig, Kusinchen. Ich erzähle Ihnen ungefähr die beste Geschichte, die Sie kriegen können, und Sie meckern herum.«
»Ich kann doch Callie Spencer nicht darum bitten, dass sie mir eine Blutprobe gibt. Ich weiß ja nicht mal, ob Sie ehrlich sind.« Lucy blickte zur Decke des Besucherzimmers hinauf. Ihre Gedanken rasten. Plötzlich sah sie Dawtrey wieder an. »Warten Sie mal, was haben Sie gesagt? Die ist ungefähr die beste Geschichte, die Sie haben?«
Sein schlaues Grinsen kehrte zurück. »Das haben Sie gehört, was?«
»Das habe ich gehört«, sagte sie. »Haben Sie denn was noch Besseres?«
Er schnalzte mit der Zunge. »Das glauben Sie nicht, Kusinchen.«
Natürlich verkündeten die Wärter genau in diesem Moment, dass die Besuchszeit vorüber sei. Dawtrey erhob sich von seinem Stuhl.
Auch Lucy stand auf. »Was zum Teufel haben Sie denn noch?«
»Ich mag Sie, Lucy«, sagte Dawtrey. »Wenn Sie wiederkommen, reden wir weiter.«
»Sagen Sie’s mir.«
»Eins nach dem anderen«, sagte er. »Sie drucken, was ich Ihnen erzählt habe, und –«
»Und was?«
»Und dann sehen wir weiter. Vielleicht sage ich Ihnen, wer der Fahrer war.« Als Lucy ihre Geschichte beendet hatte, hielt sie inne, blieb in ihrem hellgelben Kleid am Fenster stehen und sah mich erwartungsvoll an.
»Der Fahrer?«, sagte ich. »Er hat also den fünften Bankräuber gemeint? Den, der entkommen war? Glauben Sie, er hat Sie bloß veräppelt?«
»Ich weiß es nicht.«
»Es ergibt keinen Sinn«, sagte ich. »Wenn er die Identität des fünften Räubers kennt, warum hat er sie dann all die Jahre geheim gehalten?«
»Das weiß ich auch nicht«, sagte Lucy. »Ich hatte keine Gelegenheit mehr, noch einmal mit ihm zu sprechen.«
»Aber Sie haben die Geschichte über Callie nie gedruckt, oder?«
Ich sah, wie ihre Schultern unter den Trägern ihres Kleides zuckten. »Selbst der National Current hat seine Richtlinien.«
»Könnte es denn wahr sein?«, fragte ich sie. »Könnte Floyd Lambeau tatsächlich ihr Vater sein?«
»Dawtrey ist jedenfalls nicht der Einzige, der das glaubt«, sagte sie. »Ich habe eine obskure Website gefunden, die diese Theorie propagiert, mit Fotos, die die Familienähnlichkeit demonstrieren sollen.«
»Tun sie es?«
»Wenn man unbedingt will, ja. Sonst nein. Soweit ich weiß, tauchte die Website während Callies erstem Wahlkampf für das Parlament in Michigan auf. Aber die Idee zündete nie richtig. Keine seriöse Nachrichtenagentur wollte die Geschichte aufgreifen.«
»Aber Sie haben sich das angeschaut.«
Sie breitete ihre Hände in einer Geste der Unverbindlichkeit aus. »Es könnte stimmen. Floyd Lambeau und Ruth Spencer sind ungefähr im gleichen Alter. Man weiß, dass er in Sault Sainte Marie Vorträge gehalten hat. Und man kann ihn ungefähr zu der Zeit dort vermuten, als Callie Spencer gezeugt worden sein muss.«
»Was gar nichts beweist.«
»Richtig«, sagte Lucy. »Also kann Lambeau Callie Spencers leiblicher Vater gewesen sein oder auch nicht. Aber was ich mit absoluter Sicherheit weiß, ist, dass Dawtrey mir erzählt hat, dass Lambeau es gewesen ist – und ein paar Wochen später war Dawtrey tot.«
Ich schüttelte den Kopf. »Es fällt mir sehr schwer zu glauben, dass Callie Spencer irgendetwas damit zu tun gehabt hat. Woher sollte sie denn wissen, dass Sie mit Dawtrey gesprochen hatten?«
»Es waren ja auch noch
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