Belladonna
um zu sagen: »Es kommt nicht oft vor.«
Michael sah über das jetzt leere Meer jenseits des Bugs, dann blickte er zu ihr zurück. »Ich glaube, diese Antwort ist nicht sehr aufrichtig.«
Dieses Mal lachte sie laut. »Die Hälfte der Zeit bin ich mir nicht sicher, ob du mich auf den Arm nimmst oder wirklich meinst, was du sagst. Du bist schwer zufrieden zu stellen, Magier.«
»Gar nicht. Ich brauche nicht viel, ich bin dankbar für das, was ich bekomme, und ich bin bereit, im Gegenzug ziemlich viel dafür zu geben.«
Glorianna wandte den Blick ab, dankbar für die kalte Luft, die ihre plötzlich brennenden Wangen kühlte. Dieser Mann sprach nicht davon, einander für ein paar heiße Nächte zu genießen. Und trotzdem schwang immer jene bittersüße Resonanz in seinen Worten mit. »Du kennst mich doch kaum.«
Und sie kannte ihn kaum.
Das Herz kennt keine Geheimnisse, Glorianna Belladonna. Nicht einmal deines. Deshalb macht er dir Angst. Wenn du ihn lässt, wird er in dein Leben treten - und du in das seine -, als wärt ihr schon immer füreinander da gewesen. Als hätte dich schon immer das strahlende Licht der Liebe begrüßt, wenn du nach Hause kommst.
»Ich kann die Musik in dir hören«, sagte Michael leise. »Es ist ein wunderbares Lied, genauso herzzerreißend wie es schön ist, so voller Sorge und Freude. Ein Mann könnte diesem Lied sein ganzes Leben lang zuhören, und ihm nicht müde werden.«
»Ich weiß nicht, was du meinst.«
Er kam einen Schritt näher, sein Körper schützte jetzt den ihren vor dem Wind. »Du weißt genau, was ich meine, und es macht dir Angst. Wenn es dich irgendwie tröstet, mir macht es auch Angst. Vielleicht ist das auch richtig so. Liebe ist keine Kleinigkeit. Sie kann ein Leben verändern.«
»Sie kann die Welt verändern«, flüsterte sie.
»Vielleicht kann sie das.« Einen Moment lang wirkte er von ihren Worten beunruhigt. Dann trat er zurück und lächelte. »Na gut. Ich lasse dich wohl besser deine Gedanken sammeln. Kenneday sagte, er würde diesen Kurs halten, damit du sehen kannst, wie die Weiße Insel verschwindet und wieder auftaucht, aber die Anstrengung, nicht zu fragen, wann du mit deiner Magie anfangen willst, macht ihn zapplig wie eine alte Jungfer. Und dein Bruder wirft mir gerade einen Blick zu, der den Wunsch in mir weckt, ihm einen Schlag ins Gesicht zu versetzen oder ihm ein Bier zu kaufen, ich bin mir nicht sicher, was.«
»Was hast du gegen Lee?«, fragte Glorianna und fühlte, wie sich augenblicklich ihr Temperament regte, um ihren kleinen Bruder zu verteidigen.
»Ich habe nichts gegen den Mann«, erwiderte Michael.
»In der Tat mag ich ihn sogar. Aber als dein Bruder fühlt er sich moralisch dazu verpflichtet, ein Stein in meinem Schuh zu sein.«
Bevor sie feststellen konnte, wo der Spaß aufhörte und die Wahrheit begann, ging Michael davon, und Lee kam auf sie zu, in der Hand den Stein der Weißen Insel, den Caitlin und sie aus dem Garten genommen hatten, bevor sie gestern Morgen in Ravens Hill Segel gesetzt hatten.
»Ich will diesen Ort nicht«, hatte Caitlin gesagt, als sie am Fuße des Hügels hinter dem Haus stehen blieben. »Du hast gesagt, dieser Ort sei an mich gebunden, aber ich will ihn loswerden.«
»Caitlin«, sagte Glorianna leise warnend und fühlte, wie Ephemera sich sammelte, um den Willen des Mädchens wahr werden zu lassen. »Du hast hier gelebt.«
»Ich wollte fortgehen, wie Michael es getan hat. Wir haben hier überlebt. Mussten es, denn es war alles, was wir hatten. Das ist nicht das Gleiche, wie an einen Ort zu gehören.«
Nein, dachte Glorianna, es ist nicht das Gleiche.
»Es ist mir egal, ob ich die Wächterin oder Landschafferin oder Zauberin oder wie du es auch nennen willst sein soll«, sagte Caitlin trotzig. »Ich will dieses tote Gefühl in meinem Herzen nicht, wenn ich an Ravens Hill denke. Ich will diesen Ort nicht. Soll sich jemand anders um ihn kümmern.«
Caitlin hatte die Worte gerade erst ausgesprochen, als Glorianna fühlte, wie Ephemera die Resonanz der Welt um sie herum veränderte. Caitlin keuchte auf und starrte sie mit ängstlicher Verwunderung an.
»Das hast du getan«, sagte Glorianna. »Nicht ich.«
Eine Entscheidung, die von Herzen kam. Auch wenn sie nicht mit Sorgfalt getroffen und von dunklen Gefühlen getrieben worden war, würde Caitlins Ablehnung das Dorf nicht ohne Halt zurücklassen. Und diese Botschaft sagte so deutlich wie keine andere, dass das Mädchen nicht die richtige Person
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