Belladonna
weit mehr als das verdient. Wenn wir nicht da sind, wenn du aufwachst, nimm dir einfach, was du in der Küche findest, und die Missus päppelt dich dann später mit einer richtigen Mahlzeit wieder auf.«
Michael nickte nur und ging in Richtung der Treppe im hinteren Teil der Taverne, die zu den Zimmern führte, die Shaney vermietete. Er fühlte sich leer und ausgebrannt. Doch es war ein gutes Gefühl, das in ihm die Vorfreude darauf weckte, sich auf einem Bett mit sauberem Laken auszustrecken und den Tag zu verschlafen.
Er sah Doreen nicht, bis er oben auf der Treppe stand. Und dann war es bereits zu spät, den taktischen Fehler rückgängig zu machen, sein Zimmer alleine aufsuchen zu wollen.
»Hast ja ganz schön lange gebraucht«, sagte Doreen mit einem Lächeln, das verlockend wirken sollte.
»Es ist eine bewiesene Tatsache, dass die Anzahl der Stufen sich in direktem Verhältnis zur Menge des Alkohols oder des Schlafmangels erhöht«, antwortete Michael leichthin.
Doreen zuckte mit den Schultern, offenkundig nicht an etwas anderem interessiert als ihren eigenen Plänen. »Ich dachte mir, du hättest vielleicht nach der ganzen schönen Musik gerne ein bisschen Gesellschaft. Vertrauliche Gesellschaft.«
Falsch gedacht. Es steckte etwas Gemeines in Doreen. Die meiste Zeit über versteckte sie es gut, doch er hörte die schneidenden Klänge jedes Mal, wenn er sich in ihrer Nähe befand. Er mochte sie nicht, und trotz dieses Missklangs musste sie in die Melodie passen, die Foggy Downs ausmachte. Im Moment jedoch hätte er, selbst wenn er sie gewollt hätte, keinem von ihnen damit einen Gefallen getan, sie mit in sein Bett zu nehmen. In dieser Sache konnte er ehrlich bleiben.
»Vielen Dank für dein Angebot, Doreen, aber ich bin zu müde, um noch angenehme Gesellschaft zu bieten - oder überhaupt irgendeine Art der Gesellschaft, wenn man es genau nimmt.«
Ihr Lächeln erlosch. »Du hältst dich für was Besseres als mich, oder? Ich weiß, dass du dich mit anderen Frauen vergnügt hast, aber weil ich in einer Taverne bediene, bin ich nicht gut genug für Männer mit deinem Ruf.«
Michael schauderte. Er war sich nicht sicher, ob es an der Müdigkeit oder an der Bedeutung lag, die sich in Doreens Worten versteckte. Und vielleicht war er einfach zu müde, um es genau zu hören, aber ihre Melodie schien jetzt nicht mehr ins Dorf zu passen. Sie war zu beißend, zu … dunkel. Falsch.
»Aber du bist kein Mann mit gutem Ruf, oder, Michael? Du bist nichts als ein Herumtreiber, ein Streuner, ein -«
Das Wort, das sie aussprach, traf ihn wie ein Stich ins Herz.
»Wie hast du ihn genannt?«
Erschrocken über die Stimme, die hinter ihm auf der Treppe erklang, zuckte Michael zusammen. Er trat zur Seite, um Maeve, die Postmeisterin des Dorfes und Besitzerin von Foggy Downs Leihbücherei, vorbeizulassen.
»Musiker?«, fragte Maeve und berührte mit den Fingern sachte ihr Ohr. »Na, das ist doch kein Grund, so ein Drama zu veranstalten. Natürlich ist er ein Musiker, Mädchen. Sind deine Ohren so voller Wachs, dass du ihn nicht die ganze Nacht über hast spielen hören?«
In Doreens Augen blitzte der Zorn, aber sie antwortete nicht.
Schlaues Mädchen, dachte Michael. Maeve mochte vielleicht schütteres, weißes Haar haben, aber mit ihrem Verstand und ihrem Gehör war alles in Ordnung. Und da sie dafür verantwortlich war, die Zeitschriften zu besorgen, die in der Stadt veröffentlicht wurden und die junge Damen über die neueste Mode informierten, erkannten sogar die aufsässigsten Frauen den Vorteil darin, sich ihr gegenüber respektvoll zu verhalten.
Die Postmeisterin schüttelte den Kopf und seufzte verärgert. »Lass den Jungen in Frieden, Doreen, damit er sich ausschlafen kann. Jede Frau, die diese Bezeichnung verdient, weiß, dass ein Mann nichts für eine Romanze übrig hat, wenn er so müde ist.«
Er war sich nicht sicher, ob er dankbar war für die Art und Weise, auf die Maeve ihm zur Flucht verhalf, aber die Gelegenheit würde er sich nicht entgehen lassen.
»Gute Nacht, meine Damen«, sagte er schlicht und schlüpfte an den zwei Frauen vorbei, um zu seinem Zimmer zu gelangen. Als er drinnen war, schob er so leise wie möglich den Riegel vor. Es hatte keinen Sinn, Doreen so zu beleidigen, dass sie etwas Törichtes tat, weil sie hörte, wie er die Tür verschloss. Doch ohne den Riegel würde er nicht unbeschwert schlafen können, da sie entschlossen schien, ihn für sich zu gewinnen.
Er konnte sich nicht
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