Belladonna
wahrscheinlich ist es, dass Er die Gestalt eines Todesdrehers angenommen und selbst gejagt hat. Genauso, wie Er eine Gestalt angenommen haben wird, die Ihn zu dem Jäger werden ließ, der am besten geeignet war, um diese Frau zu töten.«
»Und den Laternenanzünder«, sagte Michael. »Ich habe den Laternenanzünder vergessen. Er wurde in derselben Nacht getötet. Einige seiner Knochen wurden zermalmt, und es gab noch andere … Merkwürdigkeiten … bei seinem Tod. So hat man mir jedenfalls berichtet.«
»Als Lynnea und ich aus der Schule der Landschafferinnen geflohen sind, haben wir Kreaturen gesehen, die in der Lage gewesen wären, Knochen zu zermalmen«, sagte Sebastian.
Michael schauderte. Dann füllten sich seine Augen mit einer Mischung aus Wut und Entsetzen, als er auf sie zeigte. »Nein. Das lasse ich nicht zu. Diese Last wirst du dir nicht aufladen, Glorianna Belladonna. Wenn ein Mann die Tür vor einer Bestie verriegelt, die versucht, seine Familie anzugreifen, gibst du ihm dann die Schuld, weil er verteidigt, was ihm am Herzen liegt? Und wenn sich die Bestie von seiner Tür abwendet, um die eines anderen anzugreifen, die weniger gut geschützt ist, ist es dann seine Schuld, weil er nicht beiseite getreten ist und zugelassen hat, dass sie angreift, was er liebt? Du hast deine eigene Tür verriegelt, aber du hast diese Bestie nicht auf einen Nachbar gehetzt.«
Was hörte er in ihrer »Musik«, das so viel von ihren Gedanken - und Gefühlen - offenbarte? Sie war nicht dafür verantwortlich, welchen Ort sich der Weltenfresser als Versteck ausgesucht hatte, nachdem sie die Landschaften verändert und die Stadt der Zauberer vom Rest der Welt abgeschnitten hatte. Doch sie fühlte sich nicht gerne so entblößt und war nicht daran gewöhnt, dass jemand, der nicht Teil der Familie war, in ihr lesen konnte wie in einem offenen Buch.
»Wenn die Grenzlinien in diesem Teil Ephemeras so fließend sind, wie sie scheinen, könnte der Weltenfresser aus der Stadt der Zauberer hierher gekommen sein, bevor ich diese Brücke zerschlagen habe«, sagte Lee. »Er könnte deine Landschaften ganz und gar gemieden haben.«
»Vielleicht.« Wenn Michael und Caitlin nicht in ihr Leben gestolpert wären, hätte sie nicht gewusst, wohin der Weltenfresser sich zurückgezogen hatte, hätte keine Hoffnung gehabt, Ihn zu finden. Oder Ihn aufzuhalten.
»Da wären wir«, sagte Michael und hob eine Hand, um auf die Brücke zu deuten. »Wenn wir hinübergehen, fängt entweder die Straße nach Dunberry an, oder wir stehen auf der anderen Seite des Baches und winken deinem Bruder und deinem Cousin zu. Über die Brücke zurückzugehen, sollte uns auf die Straße nach Kendall bringen. Auf halbem Wege befindet sich eine Poststation, an der die Kutschen ihre Pferde wechseln und dergleichen. Der Weg, der von der Hauptstraße abzweigt, führt nach Foggy Downs.«
Ganz gleich, was sie auf der anderen Seite der Brücke fanden, sie musste nur den Schritt zwischen Hier und Dort gehen, um nach Hause zurückzukehren. Ganz gleich, was sie erwartete, wenn sie übertraten, sie könnte sie innerhalb eines Herzschlages in eine sichere Landschaft zurückversetzen.
Doch die Aussicht, in eine Landschaft überzutreten, die nicht ihr gehörte, war aufregend und unheimlich - und gab ihr ein Gefühl von Verwegenheit und jugendlichem Leichtsinn. Hatte Michaels Mutter sich so gefühlt, als sie das erste Mal mit seinem Vater zu einer Reise aufbrach? Hatte sie so für den Mann empfunden? Und wenn man bedachte, was das für ein Ende genommen hatte. Vielleicht...
Sie trat einen Schritt zurück. Schüttelte heftig den Kopf.
»Glorianna!«
Wessen Stimme? Sie konnte es nicht sagen, wusste es nicht. Alle drei von ihnen waren bei ihr. Dann spürte sie seine Hände auf ihren Schultern, fühlte seine Wärme. Hörte die Musik in ihm.
Sie hatte Menschen nie als Lieder wahrgenommen, bevor sie ihn getroffen hatte. Bei den meisten tat sie es noch immer nicht. Lee und Sebastian waren Resonanzen. Michael war anders. Michael war anders als jeder andere, den sie je gekannt hatte.
»Er ist listig«, sagte sie und strich sich das Haar zurück, während sie sich darauf konzentrierte, gleichmäßig zu atmen.
»Er ist hier?«
Sie hielt einen Moment inne, glaubte, mit ihrem Gehör stimme etwas nicht. Dann erkannte sie, dass alle drei dieselbe Frage gestellt hatten.
»Nein.« Wieder hielt sie inne. »Mein Kopf tut weh.«
Sie spürte Michaels Lippen an ihrem Ohr. Fühlte, wie
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