Belladonna
gelaufen. Tante Brighid hatte ihr gesagt, sie würde Freunde finden, wenn sie erst einmal in die Schule ging, aber so war es nicht gekommen. Die anderen Mädchen ärgerten sie und sagten gemeine Sachen, und sie wusste, dass der Lehrer die Mädchen hörte und nichts tat, und sie so durch sein Schweigen ermutigte. Also hatte sie keine Freunde, und ohne Michael, der ihr half, war die Schule hart. Und Tante Brighid hatte nicht zugeben wollen, dass das gleiche … etwas …, das in Michael lebte und ihn aus Ravens Hill vertrieben hatte, auch in ihr steckte.
Ihre Tante hatte sie immer gegen alle verteidigt - auch gegen die Frauen, die auf der Weißen Insel Brighids Schwestern gewesen waren -, doch zu Hause war sie nicht in der Lage gewesen, ihren Zorn zu verbergen oder ein Zucken zu unterdrücken, wann immer sie Anzeichen von Caitlins und Michaels »Gabe« bemerkte.
Und so wusste Caitlin an jenem Tag, dass die Andersartigkeit, die in Michael und ihr steckte, der Grund war, aus dem Michael fortgegangen war. Und mit dem Wunsch, der ihr ganzes junges Herz erfüllte, jemanden zu finden, der ihr Freund sein würde, war sie davongelaufen.
Sie war gestolpert und der Länge nach auf dem Pfad gelandet. Als sie aufblickte, stand vor ihr eine steinerne Mauer mit einem kaputten, verrosteten Tor.
Sie hatte den Garten der Liebsten gefunden.
Zugewachsen und überwuchert, hatte er eine helfende Hand bitter nötig. Der Garten zog sie an, und als sie sich in ihm umsah, ließ der Schmerz in ihrem Herzen nach. Hier gab es etwas, das sie brauchte, sie wollte, sie willkommen hieß.
Als sie eine kleine Blüte entdeckte, die hübsch aussah, aber fast gänzlich von Unkraut überwuchert war, riss sie einen der Stängel heraus, um besser sehen zu können. Dann riss sie noch einen heraus. Und noch einen. Als sie schließlich ein kreisförmiges Stück Boden um die kleine Pflanze freigelegt hatte, wusste sie noch immer nicht, um was für ein Gewächs es sich handelte, doch sie brachte ihr Herz dazu, sich ein bisschen weniger verloren und einsam zu fühlen.
Jahre später erfuhr sie den Namen der Pflanze. Herzenshoffnung.
Sie kehrte immer wieder in den Garten zurück, floh aus der Schule so schnell sie konnte, um den Hügel zu jenem geheimen Ort hinauf zu rennen. Tante Brighids Schelte und offensichtliche Sorge darüber, dass ein Kind ihres Alters stundenlang verschwand, konnte den Lockruf des Ortes nicht übertönen, an dem das Licht jedes Mal vor Glück zu funkeln schien, wenn sie durchs Tor schlüpfte.
Dann hatte ein Mädchen aus der Schule alle anderen Mädchen eingeladen, um ihnen den teuren Brunnen zu zeigen, den ihr Vater im Garten der Familie angelegt hatte. Alle Mädchen außer einem.
Du nicht, hatte das Mädchen gesagt. Ich will nicht, dass du mit deinem bösen Blick unseren Brunnen ansiehst.
Caitlin hatte vor der Schule gestanden und blinzelnd gegen die Tränen der Schande gekämpft, während der Zorn in ihr aufstieg.
»Ich wünschte, dein Brunnen wäre so verdorben wie dein Herz«, flüsterte sie.
Auf dem ganzen Weg zum geheimen Garten dachte sie an einen Brunnen und daran, wie schön es wäre, selbst einen zu haben.
Als sie im Garten ankam, stand er da - nicht die Art Brunnen, die zu einem künstlich angelegten Garten passte, sondern ein Durcheinander aus Steinen, über die das Wasser in einer Reihe von Wasserfällen in einen knietiefen Teich hinabfiel, geschützt von einer jungen Weide.
Es war das Schönste, das sie je gesehen hatte - doch tags zuvor war es noch nicht da gewesen. Das war der Moment, in dem sie erkannte, dass sie Dinge geschehen lassen konnte, einfach weil sie es so wollte. Sie war aufgeregt, begeistert - und sicher, es sei das Beste, was ihr jemals widerfahren war.
Eine Woche später hatte ihre Tante sie ins Haus gezerrt, auf einen Stuhl gesetzt und gesagt: »Was auch immer du getan hast, Caitlin Marie, ich möchte, dass du es rückgängig machst. Es gibt schon genug Gerede über deinen bösen Blick, ohne dass du absichtlich Unruhe stiftest.«
Sie begriff erst, was geschehen war, als Brighid ihr von einem teuren Brunnen erzählte, der verdorben war. Die Wasserpflanzen verrotteten über Nacht. Tag für Tag starben die goldenen Fische, die die Familie bei einem Händler in Kendall gekauft und mit großem Kostenaufwand nach Ravens Hill gebracht hatte. Und das Wasser stank wie ein stehendes Sumpfloch, ganz gleich wie oft der Hausverwalter den Brunnen reinigte und das Wasser erneuerte. Wegen des fauligen
Weitere Kostenlose Bücher