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Belladonna

Belladonna

Titel: Belladonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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prüfte die Rufnummernbox, aber es waren keine Anrufe registriert worden.
    «Wir hatten Stromausfall», sagte ihre Mutter und drückte auf die Knöpfe am Herd, um die richtige Zeit einzustellen. «Die Unwetter richten das reine Chaos an. Dein Vater hat gestern Abend fast einen Herzschlag gekriegt, als er Jeopardy sehen wollte und nichts als Schnee auf dem Bildschirm hatte.»
    Irgendwie war Sara erleichtert. Vielleicht hatte Jeffrey ja doch angerufen. Höhere Gewalt hatte eingegriffen. Sie ging zum Waschbecken und füllte den Teekessel. «Möchtest du auch einen Tee?»
    Cathy schüttelte den Kopf.
    «Ich auch nicht», murmelte Sara und ließ den Kessel im Becken stehen. Sie ging nach hinten ins Haus und zog auf dem Weg ins Schlafzimmer zuerst ihr Hemd und dann den Rock aus. Cathy folgte ihr und ließ die Tochter nicht aus den mütterlich trainierten Augen.
    «Streitest du dich wieder mit Jeffrey?»
    Sara zog ein T-Shirt über den Kopf. «Ich streite mich doch immer mit Jeffrey, Mutter. So sind wir nun mal.»
    «Und vor lauter Lust auf solche Streitereien kannst du nicht mal in der Kirche stillsitzen?»
    Sara biss sich auf die Lippe und merkte, dass sie rot wurde.
    Cathy fragte: «Was ist denn diesmal passiert?»
    «Mein Gott, Mama. Ich möchte wirklich nicht darüber reden.»
    «Dann erzähl mir was über diese Sache mit Jeb McGuire.»
    «Da gibt es keine . Wirklich nicht.» Sara schlüpfte in ein Paar Trainingshosen.
    Cathy setzte sich aufs Bett und glättete das Laken mit der flachen Hand. «Das ist gut. Der ist nämlich überhaupt nicht dein Typ.»
    Sara lachte. «Wie ist denn mein Typ?» «Jemand, der es mit dir aufnehmen kann.»
    «Vielleicht mag ich Jeb ja», erwiderte Sara, der nicht entging, wie gereizt ihr Tonfall war. «Vielleicht gefällt es mir, dass er vorhersagbar ist und nett und ausgeglichen. Er hat weiß Gott lange genug gewartet, bis er einmal mit mir ausgehen kann. Vielleicht sollte ich mich öfter mit ihm treffen.»
    Cathy sagte: «Du bist nicht so böse auf Jeffrey, wie du denkst.»
    «Oh, tatsächlich?»
    «Du bist nur verletzt, und das macht dich zornig. Du öffnest dich anderen Menschen nur sehr selten», fuhr Cathy fort. Sara bemerkte, dass die Stimme ihrer Mutter besänftigend, aber doch auch entschieden klang, als wolle sie ein gefährliches Tier aus seinem Versteck locken. «Ich weiß noch, dass du schon als kleines Mädchen sehr sorgsam darauf geachtet hast, mit wem du dich anfreunden wolltest.»
    Sara setzte sich aufs Bett, um die Socken anzuziehen. Sie sagte: «Ich hatte massenhaft Freundinnen.»
    «O ja, du warst beliebt, aber du hast nur sehr wenige an dich herangelassen.» Sie strich Sara das Haar hinters Ohr. «Und nach dem, was in Atlanta geschehen ist -»
    Sara vergrub das Gesicht in den Händen. Tränen flössen, und sie flüsterte: «Mama, ich mag wirklich jetzt nicht darüber sprechen, okay? Bitte, nicht jetzt.»
    «Schon gut», lenkte Cathy ein und legte ihr den Arm um die Schulter. Sie zog Saras Kopf an ihre Brust. «Psssst», beruhigte sie sie und streichelte ihr das Haar. «Ist ja alles gut.»
    «Ich...» Sara schüttelte den Kopf, konnte nicht weiterreden. Sie hatte vergessen, wie gut es tat, von ihrer Mutter getröstet zu werden. In den letzten Tagen war sie so erpicht darauf gewesen, Jeffrey von sich zu weisen, dass sie dabei auch auf Distanz zu ihrer Familie gegangen war.
    Cathy küsste Sara oben auf den Kopf und sagte: «Es gab auch mal eine Situation zwischen deinem Vater und mir.»
    Sara war so verblüfft, dass sie zu weinen aufhörte. «Daddy hat dich betrogen?»
    «Natürlich nicht.» Cathy runzelte die Stirn. Einige Sekunden verstrichen, bevor sie damit herauskam. «Es war umgekehrt.»
    «Du hast Daddy betrogen?»
    «Es ist nie vollzogen worden, aber in meinem Herzen empfand ich so, als sei es geschehen.»
    «Was soll das denn heißen?» Sara schüttelte den Kopf, für sie klang es wie eine von Jeffreys Entschuldigungen: fadenscheinig. «Nein, vergiss es.» Sie wischte mit dem Handrücken über die Augen und dachte dabei, dass sie es wirklich nicht hören wollte. Die Ehe ihrer Eltern war das Podest, auf das Sara all ihre Vorstellungen von Liebe und zwischenmenschlichen Beziehungen gestellt hatte.
    Cathy schien jedoch unbedingt ihre Geschichte erzählen zu wollen. «Ich habe deinem Vater gesagt, dass ich ihn wegen eines anderen Mannes verlassen wolle.»
    Mit hängendem Unterkiefer kam sich Sara reichlich blöd vor, aber sie konnte kaum etwas dagegen tun.

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