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Belladonna

Belladonna

Titel: Belladonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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vergegenwärtigte sich Jeffrey noch einmal sein Gespräch mit Sara. Unsagbare Traurigkeit erfasste ihn. Er wusste, dass sie Recht hatte, was das Anrufen betraf. Er hätte darauf bestehen sollen, dass Nelly ihn durchstellte. Er hätte zur Klinik gehen sollen, um ihr zu sagen, dass er sie noch immer liebte, dass sie noch immer die wichtigste Frau in seinem Leben war. Er hätte auf die Knie fallen und sie anflehen sollen, wieder zu ihm zurückzukehren. Er hätte sie nicht verlassen sollen. Nicht noch einmal.
    Jeffrey dachte daran, wie Lena vor ein paar Tagen das Wort Opfer gebraucht hatte, um damit die Beute von Sexualverbrechern zu beschreiben. Sie hatte dem Wort einen Beigeschmack gegeben und es so ausgesprochen, als hätte sie von oder geredet. Jeffrey hatte diese Einstufung durch Lena nicht gefallen, und besonders ungern hörte er sie von Sara. Er kannte Sara wahrscheinlich besser als jeder andere Mann, der ihr begegnet war, und er wusste, dass Sara höchstens Opfer ihrer vernichtenden Selbstkritik war. Als Opfer in dem anderen Kontext sah er sie nicht. Viel eher sah er in ihr eine Überlebende. Jeffrey war zutiefst getroffen, dass Sara so wenig von ihm zu halten schien.
    Moon unterbrach seine Gedanken und fragte: «Können wir langsam anfangen?»
    «Ja», antwortete Jeffrey. Er verbannte Sara aus seinen Gedanken. Unabhängig davon, was sie gesagt hatte, könnte Wright doch noch immer bedenkenswerte Anhaltspunkte in Bezug auf das liefern, was sich in Grant County abspielte. Jeffrey war bereits in Atlanta. Es gab keinen Grund, wieder zurückzufahren, bevor er aus dem Mann nicht alles herausbekommen hatte, was er brauchte. Jeffrey biss die Zähne zusammen und zwang sich dazu, seine ganze Konzentration auf die bevorstehende Aufgabe zu richten. Gespannt blickte er durch die Scheibe.
    Ziemlich geräuschvoll betrat Moon den Verhörraum, knallte die Tür hinter sich zu und zog einen Stuhl unter dem Tisch hervor, wobei die Stuhlbeine über den gekachelten Boden kratzten. Trotz des vielen Geldes und der speziellen Etatposten, die dem Police Department von Atlanta zur Verfügung standen, waren die Verhörräume der Stadt nicht annähernd so sauber wie die in Grant County. Der Raum, in dem Jack Allen Wright saß, war schäbig und schmutzig. Die Wände waren nicht gestrichen, sondern nur grau verputzt. Es herrschte eine derart bedrückende Atmosphäre, dass man sich nicht wundern durfte, wenn jemand allein schon deswegen ein Geständnis ablegte, um hier wegzukommen. Jeffrey ließ all das auf sich wirken, während er Moon dabei zusah, wie sie Wright bearbeitete. Sie machte ihre Sache nicht annähernd so gut wie Lena Adams, aber es ließ sich nicht leugnen, dass sie Zugang zu dem Vergewaltiger zu finden wusste. Sie redete mit ihm wie eine ältere Schwester.
    Sie fragte: «Der blöde Hinterwäldler ist Ihnen doch nicht zu nahe getreten, oder?»
    Jeffrey wusste, dass sie ein Vertrauensverhältnis zu Wright herzustellen versuchte, aber trotzdem hörte er es nicht gern, so charakterisiert zu werden, zumal er annehmen musste, dass Mary Ann Moon ihrer Überzeugung Ausdruck gegeben hatte.
    «Er hat meine Manschette kaputtgemacht», sagte Wright. «Meine Schuld war das nicht.»
    «Jack», seufzte Moon, die ihm am Tisch gegenübersaß. «Das weiß ich doch, okay? Wir müssen herausbekommen, wie die Pistole unter Ihre Matratze geraten sein kann. Das ist ein ganz klarer Gesetzesverstoß und wäre für Sie dann schon der dritte Streich. Stimmt's?»
    Wright warf einen Blick auf den Spiegel und wusste wahrscheinlich ganz genau, dass sich Jeffrey dahinter befand. «Ich weiß auch nicht, wie die da hingekommen ist.»
    «Ihre Fingerabdrücke hat er wohl auch darauf angebracht, hm?», fragte Moon. Sie verschränkte die Arme.
    Wright schien das zu bedenken. Jeffrey wusste, dass die Pistole Wright gehörte, aber er wusste auch, dass Moon die Waffe im Leben nicht so schnell forensisch hätte überprüfen lassen und dann auch noch eine positive Identifikation der Fingerabdrücke hätte bekommen können.
    «Ich hatte Angst», antwortete Wright schließlich. «Meine Nachbarn wissen Bescheid, okay? Sie wissen, was ich bin.» «Was sind Sie denn?» «Die wissen von meinen Mädchen.»
    Moon stand vom Stuhl auf. Sie wandte Wright den Rücken zu und schaute aus dem Fenster. Ein Drahtgeflecht wie im Haus von Wright war über den Rahmen gespannt. Verblüfft stellte Jeffrey fest, dass der Mann sein Heim wie ein Gefängnis ausgestattet

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