BELLAGIO -- Roman (German Edition)
Vielleicht war sie der Beginn seiner Loslösung von Gabi gewesen. Denn ihre Familie würde ihm, genauso wenig wie seine eigene, je irgendeine Tür öffnen können. Sie hatten sich in Stuttgart kennen gelernt, auf einem Faschingsfest bei Freunden, die er besucht hatte. Sie trug eine Maske über den Augen und ihm fiel zuerst ihr traumhaft schöner Mund auf, ihre makellosen Zähne. Und ihre Augen, die durch die Maske hindurch blitzen, schimmerten in einem tiefen Blau. Er erinnerte sich auch noch an ihr verführerisches Dekolleté, von dem er kaum die Augen lösen konnte. Er hörte ihre schöne, etwas dunkle Stimme, mit dem sie auf seine plumpe Frage antwortete, ob sie denn aus Stuttgart sei. Aber Gabi studierte in Tübingen, sie war wegen des Festes mit dem Zug hergefahren. Er studiere in Frankfurt, erklärte er ihr.
Sie sahen sich an und dachten beide dasselbe: Das wird schwierig werden, eine Fernbeziehung. Sie waren dann das ganze Wochenende zusammen, verbrachten schon am zweiten Wochenende die Nacht miteinander. Sie wussten es beide, dass sie zusammen gehörten.
In den Wochen und Monaten danach pendelten sie fast jedes Wochenende nach Tübingen oder nach Frankfurt. Verbrachten die freien Tage zusammen. Er war damals fast fertig mit dem Studium und sie wollten abwarten, wo er einen Job bekam. Dann wollten sie zusammen ziehen, so war der Plan.
Aber der erste Job, den Alex dann bei einem internationalen Hedgefonds bekam, durchaus in einer verantwortungsvollen Stellung mit vielen Kontakten zu Investoren, war mit häufigen Reisen verbunden. Deswegen hatten sie weiter gewartet und der neue Plan sah vor, dass Gabi zuerst fertig studierte und Alex sich dann in ein bis zwei Jahren selbständig machen und einen eigenen Fonds gründen würde, bevor sie zusammenzogen. So pendelten sie weiter... bis er sich dann wirklich selbständig machte und sie gemeinsam nach Bellagio fuhren, wo der französische Großinvestor Saroux sich mit Alex treffen wollte.
Nun ja, auf jeden Fall freute sich Alex auf Stefan. Er nahm sich auch fest vor, dass er nie wieder in seine alten Fehler zurückfallen wollte, seine Freunde wollte er von nun an nie wieder vergessen. Nicht vergessen und nicht verleugnen.
Derart in Gedanken versunken hatte er gar nicht gemerkt, dass er schon an der Schweizer Grenze angekommen war. Er sah die beiden Grenzpolizisten rechts und links der Fahrspur, die entspannt einen Blick auf die im Vorbeifahren gezeigten Pässe warfen und die Fahrzeuge ausnahmslos durchwinkten.
Alex zückte seinen Pass und seufzte.
X X X
Kaum, dass Ela im Auto saß und den Schüssel umdrehte, war es ihr, als würde eine große Last von ihren Schultern fallen.
Unweigerlich fing sie an zu lächeln. Sie lächelte auch noch, als sie auf die Autobahn Richtung Süden auffuhr.
‚Gott, was war das schön!’
Einfach einmal allein sein, für nichts verantwortlich sein, außer für sich selbst und dafür, Spaß und Erholung zu finden.
Sie hatte sich extra einige neue Outfits gekauft, sexy und modern, etwas tief ausgeschnitten sogar.
Denn Ela hatte sich schon während der Vorbereitung auf die Reise vorgenommen, dass der Spaß diesmal nicht zu kurz kommen sollte. Und würde sie einem attraktiven Mann begegnen, nun, diesmal würde sie sich auf einen heißen Urlaubsflirt gerne einlassen. Drei Jahre ohne Sex, das war wirklich genug.
Sie legte eine CD mit italienischer Musik ein und trat beschwingt und kräftig aufs Gaspedal. Immer noch lächelte sie. ‚Tja, meine Liebe, wo willst Du nun hin? Soll es wirklich Bellagio sein?’ ‚Ja, definitiv’, antwortete sie sich selbst.
Ihren Eltern hatte sie davon nichts erzählt, sie hätten ihr sofort abgeraten, schließlich wussten sie von ihrem persönlichen Waterloo damals in Bellagio. Ela hingegen spürte, dass sie genau das brauchte, um ihre Dämonen los zu werden. Aber das hätten ihre Eltern nicht verstanden. Ela hatte sogar schon im Internet nachgesehen, wo sie in Bellagio absteigen könnte. Es gab einige schöne Hotels dort. Und natürlich das Hotel, in dem sie damals mit ihm abgestiegen war, eines der schönsten auf der ganzen Welt, Fünf-Sterne, eines der Leading Hotels of the World, direkt am See... das Grand Hotel Villa Serbelloni .
Konnte, sollte sie es wagen, so punktgenau in die Vergangenheit zu reisen? Sollte sie sich dort wirklich einquartieren? Sie war sich noch nicht sicher.
‚Das muss ich ja nicht jetzt entscheiden. Ich warte einfach ab, wie ich mich dort
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