BELLAGIO -- Roman (German Edition)
fühle, wenn ich da bin.’ Eines sprach auf jeden Fall gegen das Fünf-Sterne-Hotel: der Preis für eine Nacht kam schon auf mehrere hundert Euro. Sie wollte fast eine Woche bleiben, das würde teuer werden. Die Frage war aber eher, ob sie es sich leisten konnte, nicht dort abzusteigen.
In der Ferne sah sie schon die schneebedeckten Alpen, die mit jedem Kilometer näher kamen. Ela stellte sich vor ihrem inneren Auge die Schönheit des Comer Sees vor, fühlte voraus, wie die warme Seeluft um sie wehen würde, sah sich in malerischen Restaurants und Cafés sitzen, mit dem Boot über den See fahren... wie herrlich!
Von Ulm aus war es nicht weit in den Süden und an den Comer See, es waren nur knapp 400 Kilometer. Das heißt, es war fast egal, ob sie nun einen Abstecher nach Frankfurt oder nach Como machte. Diese 400 Kilometer nach Como zogen sich natürlich durch die Grenzübergänge und die engen Alpenpässe und Tunnels zeitlich etwas in die Länge, aber in fünf bis sechs Stunden würde sie schon dort sein.
Ob sie wohl jemanden dort kennen lernen würde? Männer gingen ja so ohne Weiteres nicht allein in den Urlaub. Vielleicht konnte sie aber auch mit einem Einheimischen anbandeln. Sie wollte wirklich Sex, gerne auch nur Sex und weiter nichts. Sie hatte extra zwei Packungen Kondome gekauft. In jede Tasche, die sie bei sich hatte, auch in ihre kleinen Handtaschen und ihre Geldbörse, hatte sie einige davon verteilt. Daran sollte es schließlich nicht scheitern.
Nicht, dass es ihr an männlichem Interesse zu Hause gefehlt hätte. Da gab es einen Kollegen in Ulm, der ebenfalls eine eigene Praxis hatte. Er war vor ungefähr zwei Jahren geschieden worden und versuchte dauernd, sich mit ihr zu verabreden. Aber sie fand ihn langweilig. Psychologen waren das oft, fand sie. Sie wollte keinen Partner, der Psychologe war. Sie wollte lieber jemanden, der das Leben anpacken konnte, tatkräftig war. Eben das, was ihr fehlte. Sie spielte nicht mehr besonders oft Tennis, aber sie kannte auch im Tennisclub einige Singles, Manager und Unternehmer, mit denen sie ab und zu spielte und danach im Clubheim etwas trank. Auch die hatten hie und da versucht, bei ihr zu landen. Aber in keinen von denen war Ela verliebt. Und außerdem würden alle im Club tratschen. Nein danke. Darauf konnte sie verzichten.
Manchmal hatte Ela bereits überlegt, ob sie nicht doch in den Golfclub eintreten sollte. Dieser Sport würde ihr Spaß machen, da war sie sich sicher. Die schönen Anlagen, die Ruhe, die gepflegte Atmosphäre, all das würde ihr gefallen. Aber zum einen war da der hohe Beitrag, die Ausrüstung war auch nicht billig und sie wäre dann noch seltener zu Hause. Hin und her fahren, mehrere Stunden spielen - sie würde dann gar nicht mehr zu Hause sein und noch weniger von Chris mitbekommen. Sie spürte, er brauchte ihre Präsenz, auch wenn es schwierig war, er brauchte das Gefühl, ein echtes Zuhause zu haben, wo jemand auf ihn wartete, wenn er nach der Schule oder nach dem Sport heim kam. Mit Golf würde sie anfangen, wenn er aus dem Haus war.
Das einzige, das sie sich ab und an noch gönnte, war eine Gesangsstunde. Ela hatte schon immer eine schöne Stimme gehabt, sanft, dunkel und doch weiblich, melodisch mit einem schönen Timbre. Sie klang wie eine Mischung zwischen Whitney Houston und Anastacia. Mit ein wenig Glück wäre aus ihr vielleicht eine echte Sängerin geworden in der Uniband damals in Tübingen. Aber Alexander hatte gemeint, wenn sie dort weitermachen würde, müsste sie auch mit der Band auf Tour gehen und dann könnten sie sich gar nicht mehr sehen. Deswegen hatte sie sich von der Gruppe getrennt.
Die Bandkollegen hatten zwar so schnell nicht aufgegeben und sie weiter bedrängt, doch wieder einzusteigen, aber Ela war bei ihrer Entscheidung geblieben. Sie liebte Alexander und sie war lieber mit ihm zusammen, als mit der Band.
Nun ja, die Gesangsstunden waren jetzt ein kleiner Tribut an ihr altes Talent. Auch ihre Gesangslehrerin, die auch mit einigen prominenten Sängern arbeitete, war angetan von Elas Stimme. Sie hatte ihr angeboten, ihr zu helfen, falls es je Elas Wunsch wäre, damit Geld zu verdienen. Dass man mit einem Kind so angebunden war, hätte sich Ela vorher nicht träumen lassen. Sie hätte eher gedacht, dass sie als coole, moderne Mutter, für die sie sich hielt, das Ganze locker managen würde, zur Not mit einem Kindermädchen. Aber so leicht war das alles nicht. Es klemmte finanziell, Platz hatten sie in
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