BELLAGIO -- Roman (German Edition)
Eindrücke gewinnen. Mein Leben ist so eintönig.“
„Willkommen im Klub“, kommentierte ihr Vater trocken.
„Na, dann müsst ihr halt auch mal raus aus dem Trott.“
„Ach, was sollen wir draußen?“ Ihre Mutter war schon immer eine Stubenhockerin gewesen, solange Ela sie kannte. In dieser Hinsicht passte sie hervorragend zu ihrem Vater. Doch ihre Oma hatte Ela einmal erzählt, dass ihre Mutter früher als Mädchen durchaus eine typische lebenslustige und temperamentvolle Italienerin gewesen war. Das konnte sich Ela nicht vorstellen, denn davon war nichts mehr übrig geblieben. Da hatte Papa wohl ganze Arbeit geleistet. Mama war inzwischen schwäbischer als jede echte schwäbische Hausfrau. Peinlich ordentlich. Die Kehrwoche wurde immer pünktlich gemacht. Die Küche war immer aufgeräumt und Mama’s Kartoffelsalat war der beste weit und breit. Für den war sie berühmt. Wann immer sie irgendwo eingeladen waren, musste Mama ihren tollen Kartoffelsalat mitbringen. Und auch ihre selbst gemachten Maultaschen waren legendär. Wobei man sich das eher vorstellen konnte, das hatte etwas mit Ravioli zu tun, die konnten die Italiener ja par excellence.
„Na ja, egal. Jeder macht halt das, was er muss. Und ich muss jetzt mal raus aus dem Trott.“
Ela dreht e sich zu Chris um. „Du hast alles, was du brauchst? Alle Schulsachen, die Buskarte?“
„Jaja.“ Chris verdrehte genervt die Augen. Ela hatte ihn das Gleiche schon mindestens zehn Mal zu Hause und auf der Fahrt gefragt.
„Dann ist’s gut.“ Schwungvoll drehte sich Ela zu ihren Eltern um. „So, dann fahre ich los, meine Lieben.“
„Was, trinkst du nicht noch einen Kaffee mit?“ Ihre Mutter war fast beleidigt. So kühl sie auch sonst war, sie unterhielt sich gerne mit Ela. Am meisten interessierten sie die Probleme ihrer Klienten. Wenn Ela da war, schaffte sie es immer, sie über deren Problemchen auszuhorchen, anonymisiert natürlich. Dann hing sie an Elas Lippen. Für Ela war das eine erstaunliche Erfahrung. Und sie genoss es, die volle Aufmerksamkeit ihrer Mutter zu haben, heute noch, mit fast 40. Was sie verleitete, mehr zu erzählen, als sie eigentlich wollte. Ein Grund mehr, jetzt gleich zu fahren.
„Nein. Ich möchte schon in Italien sein, bevor es dunkel wird.“ Ela wollte nun endlich los.
„Du fährst nach Italien? Zu Oma?“ Ihre Mutter war überrascht. Das hätte Ela ihr doch früher sagen können!
„Nein, nein, das ist mir zu weit. Ich werde mir oben in Italien ein schönes Fleckchen suchen, am Comer See oder so. Da wo es mir gefällt, da bleibe ich.“
„Du hast nicht mal ein Zimmer gebucht?“, schaltete sich ihr Vater nun wieder ins Gespräch ein. Für ihn ein Ding der Unmöglichkeit, einfach irgendwohin zu fahren, ohne zu wissen, wo man schlafen würde. Das musste doch alles geplant sein.
„Nö, hab ich nicht. Abenteuer, Papa!“ Ela grinste, dann gab sie ihm einen Kuss auf die Wange. „Tschüss, Papa.“
Er nickte nur. „Pass auf dich auf.“ Ela nickte.
Ela küsste auch ihre Mutter auf die Wange, die immer noch beleidigt drein schaute, weil sie ihren Kaffeeklatsch nun nicht bekommen würde. „Tschüss, Mama“, verabschiedete sich Ela und nickte ihrer Mutter zu.
„Fahr nur“, sagte die beleidigt.
Ela drehte sich zu Chris um. „Also, sei schön brav und folge deinen Großeltern.“
Sie umarmte Chris, der sich das ausnahmsweise gern gefallen ließ. Es war ihm nicht geheuer, dass er seine Mutter nun eine ganze Woche nicht sehen würde. Er drückte sie ebenfalls heftig, fast leidenschaftlich, gab ihr einen Kuss auf die Wange und mit etwas weinerlicher Stimme presste er hervor „Pass ja gut auf dich auf, und komm zurück... äh gesund, meine ich.“
„Keine Sorge, Schatz. Ich rufe an, wenn ich dort bin. Und ich bin ja nicht aus der Welt. Du kannst mich anrufen, SMS schreiben, alles.“
Chris nickte und versuchte, sich ein Lächeln abzuringen. Dann drehte sich Ela um und ging aus der Tür.
X Y Y
Seit geraumer Zeit war Alex nun schon auf der Autobahn. Er fuhr in den Abend hinein, es waren viele Autos unterwegs, aber der Verkehr lief trotzdem gut und regelmäßig, er musste nicht besonders aufpassen. Seine Gedanken konnten schweifen. So viel nachgedacht, wirklich über sich und andere nachgedacht, hatte er seit Jahren nicht mehr. Noch vor kurzer Zeit hatte sein Nachdenken nur darin bestanden, sich ins Gedächtnis zu rufen, welche Meetings er am nächsten Tag haben
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