BELLAGIO -- Roman (German Edition)
hier in Bellagio verlassen hatte. All die Jahre mit Camille und den Mädchen hier hatte er daran nie zurück gedacht. Alex hatte die beneidenswerte Fähigkeit, Unangenehmes einfach auszublenden, einfach zu vergessen oder zu verdrängen.
Aber jetzt, hier allein, erschlug ihn die Erinnerung fast. Er sah Gabis überraschtes und verletztes Gesicht wieder vor sich, als er mit gepacktem Koffer vor ihr stand und ihr brutal ins Gesicht geschleudert hatte, dass er sie gerade verließ. Für Ela musste das ein Schock gewesen sein. Es gab keine Vorwarnung, keine Sich-an-den-Gedanken-gewöhnen-können-Phase. Er hatte sie von der einen Sekunde auf die andere verlassen. Brutal.
Jetzt plötzlich, nach so vielen Jahren, hatte er zum ersten Mal das Bedürfnis, sie tröstend in die Arme zu nehmen, ihr zu erklären, was passiert war, warum er sie verlassen hatte. Jetzt erst hatte er das tiefe und dringende Bedürfnis, sie dafür um Verzeihung zu bitten. Ihre Vergebung zu bekommen. Absolution.
Aber da er beschlossen hatte, ihren Frieden nicht zu stören, würde er das alles von ihr nicht bekommen. Damit musste er jetzt selbst fertig werden. Und er wusste, das würde er nicht.
Er versuchte, dieser schmerzlichen Erinnerung zu entkommen, sie abzuschütteln. Alex öffnete die Minibar und nahm die Flasche Champagner heraus. Er öffnete sie hastig und leerte dann ein Glas nach dem anderen, bis er den wohligen Klick im Kopf spürte, der ihn seine Sorgen vergessen ließ.
Gut, dass es Alkohol gab.
Dann legte er sich aufs Bett und schlief ein.
X X X
Nachdem Ela ein flauschiges Schaumbad genommen und die Haare gewaschen hatte, machte sie sich langsam für den Abend zurecht.
Sie holte das teure dunkelblaue Kleid aus dem Schrank, das sie sich extra gekauft hatte. Es war einfach, aber raffiniert geschnitten und an bestimmten, vorteilhaften Stellen leicht gerafft. Der Ausschnitt war tief, aber nicht billig. Darunter zog sie schwarze Spitzenunterwäsche und halterlose schwarze Nahtstrümpfe, die einen breiten Spitzenrand hatten. Jawohl, zum ersten Mal in ihrem Leben würde sie halterlose Strümpfe tragen. Sie wollte sich sexy fühlen.
Und sie hatte sich vorgenommen, von nun an viele Dinge zu tun, die sie noch nie getan hatte.
Am Anfang fühlte sie sich unwohl in den Strümpfen, immerzu hatte sie das Gefühl, sie würden rutschen. Sie hatte ein seltsames, halbnacktes Gefühl. Aber je länger sie sie anhatte, desto mehr gewöhnte sie sich daran.
Die Haare fönte sie zu einer eleganten Innenrolle, trug Make-up auf und einen zarten rosafarbenen Lippenstift. Lange goldene Ohrringe und ein dazu passender goldener Kettengürtel um ihre Taille komplettierten ihr Outfit auf das Vorteilhafteste.
Als sie sich dann fertig gestylt in ihren eleganten schwarzen Pumps auf den Weg nach unten machte, kam sie sich sehr elegant vor. Sonst trug sie so etwas nie.
‚Wow, das fühlte sich gut an, so auszusehen.’
Plötzlich konnte sie verstehen, warum sich Männer von solchen gepflegten, toll angezogenen Frauen magisch angezogen fühlten.
Ela bemerkte, wie sich auch ihre Selbstwahrnehmung dadurch veränderte. Sie fühlte sich stark, weiblich und fand sich selbst attraktiv. Dieses Gefühl kannte sie sonst nicht, wenn sie in Jeans oder in einem langweiligen Hosenanzug ihren Alltag über die Bühne brachte.
Noch weniger kannte sie das natürlich in ihrem Schlabberlook, den sie zu Hause pflegte. Chris meinte immer, in ihren weiten Hausanzügen sähe sie aus wie eine Hartz-IV-Empfängerin. Und fand es oberpeinlich, wenn sie es tatsächlich auch noch wagte, in diesem Non-Look das Haus zu verlassen. Aber so elegant, wie sie jetzt hergerichtet war, fühlte sie auch noch etwas anderes.
Etwas, das ihr bisher völlig fremd gewesen war:
Eine gewisse Art von Macht.
Sie ging die große Haupttreppe mit dem flauschigen roten Teppich hinunter. Schon von oben hörte sie die Musik. Eine Band schien zu spielen. Den Song kannte sie.
‚A wonderful life’.
Sie sah von Weitem, dass Leopold schon auf sie wartete. Es war auch schon zehn nach acht. Aber eine Lady durfte ja etwas später erscheinen.
Als er sie kommen sah, stand er auf. Auf dem Tisch neben ihm sah Ela eine Flasche Champagner, zwei halb gefüllte Gläser und Erdbeeren stehen. Er trug einen schwarzen Anzug, mit einem weißen Hemd darunter, dessen erster Knopf offen war. Elegant und doch leger. Sie freute sich, dass er nicht eine steife Krawatte trug oder gar eine Fliege.
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