BELLAGIO -- Roman (German Edition)
Sport, Kunst und Kultur zusammen gestellt hatte. Hier eine Ausstellung in Como, da eine Weinprobe in Lenno, dort ein Riva-Boot-Rennen auf dem Lago di Como.
Dazwischen romantische Abendessen am See und Nächte, in denen sie sich anfangs leidenschaftlich geliebt hatten. In den letzten Jahren war es allerdings oft nur beim Tagesprogramm geblieben.
Aber jedes Mal, wenn sie hier gewesen waren, waren so die Tage immer verflogen wie im Nu, waren wie ein sanfter Hauch, der jedes Jahr für eine Woche sein stressiges Leben durchwehte und ihm Kraft für die kommenden Wochen gab, die in der Finanzbrache meist als die härtesten galten... November, Dezember, Januar.
Jetzt aber schlich die Zeit dahin, war nicht gefüllt. Alex raffte sich auf.
Er nahm sich vor, wenigstens einen Abendspaziergang zu machen und irgendwo essen zu gehen. Er hatte Lust auf Spaghetti mit Pesto und einem Glas Rotwein dazu. Das war das Lieblingsessen von Gabi gewesen. Er hatte es durch sie kennengelernt, sie hatte es dauernd gekocht, konnte nicht genug davon bekommen. Ein einfaches, ehrliches und doch elegantes Essen, so wie sie selbst. Alex hatte sich ebenfalls in dieses Gericht verliebt. Und im Hotel Suisse gab es die besten Pesto-Spaghetti.
Irgendetwas musste er ja tun, bis er seinen wichtigen Termin in drei Tagen hatte.
Alex duschte noch einmal kalt und zog dann seine Edeljeans an, ein weißes Hemd und seine Prada-Slipper. Darüber seine alte, teure Lederjacke. Er wusste, dass er damit lässig, edel und cool zugleich aussah. Er wusste, dass dieser Look den meisten Frauen gefiel. Früher hätte er das eingesetzt, früher hätte er sich gerne selbst einen verstohlenen Blick in manchem Schaufenster gegönnt und sich gedacht ‚Junge, du siehst heiß aus.’
Doch jetzt war ihm sogar das egal.
Als Alex die große Mitteltreppe hinunter ging, hörte er schon von oben, wie die Band spielte.
Es war ihr Lied. Es war das Lied von Gabi und Alex...
‚As time goes by’
Das nahm ihn so mit, dass sein Atem plötzlich stockte, er fühlte sein Herz schlagen, als wollte es seine Adern im Kopf zur Explosion bringen.
‚Was ist das hier? Mein persönliches Horror-Déjà-Vu? Meine ureigene Folterkammer?’
Ihm war sogar so schwindlig, dass er sich kurz am Geländer festhalten musste. Vielleicht wäre es doch besser, er würde sein Zimmer einfach nicht verlassen. Keine Erinnerungen, keine psychischen Überfälle aus dem Nichts.
Trotzdem zwang er sich nach einer Weile weiter zu gehen. Wie lange spielten die das Lied denn bloß? Jetzt fingen sie nochmals von vorne an. Geht’s noch?
Er erinnerte sich an den Abend, in dem das zu ihrem Lied wurde. An jenem Wochenende war er in Tübingen gewesen, um Gabi zu besuchen. Er war der einzige, der sie Gabi nannte. alle anderen nannten sie Ela. Eigentlich mochte sie Gabi nicht. Aber er wollte sie unbedingt so nennen, einfach anders, als die anderen sie nannten. Er brauchte irgendeinen Namen, der sein Markenzeichen war. Ela sagte einmal, er würde ihr diesen Namen aufdrücken wie ein Brandzeichen. Obwohl sie es sonst nicht mochte, Gabi genannt zu werden, bei ihm liebte sie es dann irgendwann. Er sprach es auch anders aus, er betonte das i hinten und zog das Wort dadurch in die Länge. Gabii...
Es war das Wochenende, an dem sie zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten. Sie hatten diesen Oldie ‚Casablanca’ in einem alten Studentenkino gesehen. Danach waren sie essen gewesen und Ela hatte gesagt, wenn sie Elsa gewesen wäre, sie hätte Rick nie verlassen. Sie würde den Mann, den sie liebte, nie aufgeben und allein lassen, Krieg hin oder her. Sie wäre sicher, dass Elsa Rick doch nicht geliebt hätte. Frauen, die einen Mann lieben, gehen nicht. Das würden höchstens Männer machen. Sie hatte Alex tief und liebevoll in die Augen geschaut und diesen Song immer weiter gesummt. Alex liebte ihre Stimme. Dann hatte sie verträumt gefragt, was wohl bei ihnen beiden passieren würde ‚as time goes by’...?
Die Frage schwebte über ihnen beiden eine kurze Weile lang. Und Alex antwortete, dass das so klar wäre. Sie würden zusammen bleiben, heiraten, Kinder bekommen und glücklich sein, bis an ihr Lebensende. Sie wären ja nicht Rick und Elsa sondern Alex und Ela. Die Zeit würde ihnen nichts anhaben können. Sie würden einfach ihr Glück festhalten. Sie würden einander festhalten.
Dann hatte er Ela in den Arm genommen. Hatte gesagt: „Sing“.
Sie hatte gesungen, einfach so, in der alten lauten
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