BELLAGIO -- Roman (German Edition)
Sie würde nie auf sein Vermögen angewiesen sein. Im Gegenteil. Würde sie heiraten, hätte sie eine schöne Mitgift bekommen. Aber ihm war nie wieder nach Heiraten zumute gewesen. Bis jetzt. Bis heute. Er erzählte von seiner Tochter, die in New York studierte. Wie er bis gestern 20 Jahre zusammen gelebt hatte mit seiner Lebensgefährtin, Claudia. Wie er sie verlassen hatte, weil ihm absolut klar war, mit wem er den Rest seines Lebens verbringen wollte. Er, der nie, aber auch wirklich nie, an Liebe auf den ersten Blick geglaubt hatte. Nie an Seelenverwandtschaft oder Hingabe. Er erzählte Ela, wie er dann doch nach dem Giftverrat seiner ersten Frau entschieden hatte, das Angebot seiner Eltern anzunehmen, um mit diesem Vermögen im Rücken dann das zu machen, was er noch mehr liebte als Polizeiarbeit: Krimis schreiben. Romane schreiben.
Während er das alles buchstäblich berichtete, während er von seinem unglaublichen Leben erzählte, war es Ela, als würde in ihrem Kopf mit jeder weiteren unglaublichen Begebenheit eine dumpfe Glocke ertönen ‚dong’, dann wieder ‚dong’ und wieder ‚dong’... sie konnte kaum eigene Gedanken fassen, so fasziniert war sie von seinem Schicksal. Gleichzeitig fragte sie sich aber fortwährend: ‚Warum erzählt er mir das alles? Warum ist er derart offen? Solche Dinge posaunt man doch nicht einfach so aus... und schon gar nicht alle zusammen?’ Nicht einmal ihre Patienten waren so offen, so unverblümt, so schmerzfrei.
Für Ela war das alles surreal. Sie saß da, als wäre sie ein Zuschauer ihrer selbst. Und das Theaterstück hieß ‚Ela und Leo – dong’
Als er nun erzählte, er wäre Autor, musste Ela, die bislang alles still und passiv aufgenommen hatte, einfach herausplatzen „Kenne ich dich? Ich meine als Autor?“
Daraufhin offenbarte er, dass er natürlich einen Künstlernamen hätte. Er hätte seinen Namen einfach zu ‚Leo Bach’ verkürzt.
„Leo Bach.“ Ela nickte. Kicherte in sich hinein. Schüttelte den Kopf. „Du bist berühmt.“ Das stellte sie einfach so fest. Ohne Bewunderung.
Leo schwenkte leicht den Kopf, wie es Leute tun, denen ihre Berühmtheit zwar nicht unangenehm war, die sich aber auch nichts darauf einbildeten.
„Zurzeit bist du doch auf Platz eins der Bestsellerlisten, nicht? Ich glaube, ich hätte mir neulich fast dein neues Buch gekauft ‚Liebeshass’.“
Er lachte. „Oh Gott, ich kann mir vorstellen, wie dir zumute war... Du hast den Klappentext gelesen?“
„Klar.“
„Ohje.“
„Warum ohje?“
„Weil es in dem Buch darum geht, dass eine Frau einen Mann, den sie einst geliebt hat, umbringt. Heimlich, raffiniert, unbarmherzig. Weil er ihr vor vielen Jahren weh getan hatte.“
„Tja...“ Ela fühlte sich ertappt, entschied sich aber dafür, in die Offensive zu gehen. „Manche mögen’s kaltblütig... und manchen reicht es schon, es in einem Buch zu lesen.“
„Hast du je daran gedacht... es zu machen?“ Das war eine echte Frage, klar, bei seiner Vergangenheit.
„Nein. Nie. Das könnte ich nicht. Dazu achte ich das Leben zu sehr. Und dazu glaube ich zu sehr, dass wir an den Dingen, die uns passieren, wachsen sollten. Nein. Aber es hat mich irgendwie gefreut, dass andere solch ein Verhalten mit ‚Tod’ bestrafen würden.“
Sie sah ihn an. „Und überhaupt: Das ist deine Fantasie! Nicht meine! Also, frag dich selbst.“
„Gute Antwort.“
„Und immer schön dran denken: Nicht ich verfolge dich.“
„Ja... jetzt bist du dran... zu erzählen.“
„Nein.“
Er schaute sie fragend an. Verstand nicht.
„Ich will dich ja nicht heiraten. Einem Urlaubsflirt erzählt man doch nicht seine ganzes Leben und seine tiefsten Geheimnisse.“ Ela wollte ihm nichts erzählen.
Mit einem ganz leichten Lächeln auf den Lippen schaute er Ela nur still an. Er verstand sie. Und in seinem Blick lag nicht einmal ein Schimmer von Übelnahme.
Ela fühlte sich wohl mit ihm, aber sie fragte sich auch ständig, ob das alles echt war oder nur eine Art schräges Experiment. Vielleicht weil er es in einem Roman verewigen wollte und Anschauungsmaterial brauchte?
„Sag mal, Leo, mal ganz ehrlich, ja?“
Er nickte nur.
„Ist das eine Art ‚Projekt’ von dir, brauchst du das für einen Roman? Das mit mir?“
„Und du meinst, für einen Roman verlasse ich meine bisherige Frau, meine Familie?“
Ela zuckte mit den Schultern und warf nur lakonisch das Wort
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