Belles Lettres
Sie sagte, daß sie etwas über chinesische Frauen gelesen hätte, deren Dorf im Zweiten Weltkrieg von Japanern überrannt worden war. Die Geschichte ist übrigens bekannt. Die Frauen steckten sich Rasierklingen in die. in sich selbst. Einige der Frauen wurden totgeprügelt, als die Soldaten merkten, was sie getan hatten. Wie gesagt, wir wollten gerade miteinander schlafen, und ich hörte ihr nur mit einem Ohr zu, als sie plötzlich sagte: ‹ Du würdest mich doch nicht umbringen, wenn ich so etwas täte, nicht wahr, Jonathan? › »
«Und was haben Sie da gesagt?»
«Ich habe gar nichts gesagt. Allerdings fand ich es dann doch schwierig, mit ihr zu schlafen. Um ehrlich zu sein, mußte ich es mir anschließend.»
«Selber besorgen?»
«Genau.»
«Wie lange waren Sie verheiratet?»
«Acht Jahre.»
Ich zuckte zusammen.
«Ja. Ich weiß. Wenn wir Dinnerparties gaben, deckte sie manchmal einen separaten Tisch für mich und sagte den Gästen, ich sei noch zu jung, um mit den Erwachsenen zu essen.»
«Haben Sie sich denn tatsächlich an diesen Tisch gesetzt?»
«Ja. Ich habe versucht, es als Witz darzustellen. Die Gäste, die uns kannten, taten auch so, als fänden sie es witzig.»
«Das kommt mir völlig absurd vor.»
«Das war es auch. Aber ich war wirklich in Louise verliebt, verstehen Sie? Moment, ich zeige Ihnen mal was.» Er stand auf und verließ das Zimmer. Entweder war sein Fuß eingeschlafen, oder er hatte sich schon ein paar hinter die Binde gekippt, bevor ich gekommen war.
Das Zimmer sah nach altem New Yorker Geld aus -europäische Möbel aus dem achtzehnten Jahrhundert, gekauft im neunzehnten; ein riesiger Perserteppich und neben den Drucken mit Blumen- und Sportmotiven eine Hudson-Valley-Landschaft von Mary Cassatt, eine Strandszene von Prendergast und zwei dunkle, von oben beleuchtete Ahnenporträts in Öl.
Wie ich erwartet hatte, kam Mr. Margin mit einem Farbfoto von Louise zurück, eine umwerfend hübsche Frau mit hohen Wangenknochen, großen, gleichmäßigen Zähnen und vollen, purpurroten Lippen - falls die Farben echt waren; sie lächelte einer schwarzweißen Katze zu, die sie im Arm hielt.
«Verstehen Sie, was ich meine?» sagte Mr. Margin.
Sollte ich verstehen, warum er sie geliebt hatte oder daß sie grausam gewesen war?
«Süßes Kätzchen», sagte ich.
«Morgens im Bett waren ihre ersten Worte immer irgendwelche Beschwerden, daß ich dies getan und jenes gelassen hätte; oft schlief ich da noch; ihre zweiten Worte waren liebevoll, galten aber der Katze. Ich begann, die Katze heftig zu verabscheuen. Wenn man verliebt ist, weiß man nicht recht, wie man sich wehren soll.»
Ich nutzte die nachdenkliche Pause, um das Thema Rose Cloth anzuschneiden. Er war verblüfft. «Frank, ich gebe Ihnen mein Wort als Gentleman.»
«Schon klar», sagte ich. «Die Frage ist bloß, wie man nun damit umgeht.»
Wir beschlossen, die Sache einfach zu ignorieren. Wenn die Frau Zicken machen sollte, würde man es schnell merken. Aber wenn Tool Wind davon bekäme, würde sie die Sache garantiert gegen uns verwenden.
«Vielleicht sollte ich sie zum Essen einladen und einfach mal mit ihr über alles reden», sagte Mr. Margin. «Wenn man ein Problem offen und ehrlich anspricht, löst sich oft.» und so weiter. Ich deutete an, daß sie möglicherweise die Einladung ablehnen würde, dann aber behaupten könnte, daß er ihr offen Avancen gemacht hätte. Schließlich kamen wir zu dem Ergebnis, daß wir beide auf der Hut bleiben sollten und es für ihn das beste wäre, ihr mit extrem formeller Höflichkeit zu begegnen, sie nur anzusehen, wenn er sie anspräche, ihre Gegenwart zu ignorieren, falls sie Überstunden machte, und die Büroräume sofort zu verlassen, falls er mit ihr allein in der Redaktion wäre. Außerdem würde ich ihr gegenüber sämtliche Kritik offen aussprechen, die er an ihrer Arbeit äußerte.
Wir tranken bis spät in die Nacht, redeten über viele Themen, wechselten aber kein Wort über seine zweite Frau.
Apropos radikale Feministinnen: Als ich am nächsten Morgen ins Büro kam, war Rose Cloth tief im Gespräch mit Lou Bodoni versunken, die, wie mir immer klarer wurde, jede Gelegenheit ergriff, weiblichen Kollegen zu Diensten zu sein. Als Mr. Margin eintraf, sagte ich es ihm und schlug vor, augenblicklich Phil Flush einzubestellen, um Miss Cloth das Mundwerk zu legen.
Mr. Margin griff zum Haustelefon: «...das neue Mädchen, das Sie mir geschickt haben.... Meinetwegen neue Frau.... Ich
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