Belles Lettres
glaube, wir sind jetzt im Bilde.» Ich ging zur Tür, öffnete sie, und Miss Cloth verließ das Zimmer.
«Bodoni fliegt raus», sagte Mr. Margin, nachdem wir drei uns eine Weile angestarrt hatten.
«Geht nicht», sagte Flush. «Sie ist Hauptklägerin der Sammelklage.»
«Dann schafft sie wenigstens aus dieser Redaktion weg.»
«Geht nicht. Diskriminierung.»
«Angenommen, ich würde sie eigenhändig hinauswerfen?» fragte Mr. Margin.
«Schwere Diskriminierung.»
«Zeigen Sie uns mal Rose Cloths Lebenslauf», sagte Mr. Margin angewidert. Flush nahm einen Bogen Papier von seinem Clipboard und gab es Mr. Margin.
«Flush, hier steht, daß sie ein Diplom von William and Harry hat. Haben Sie das überhaupt gelesen? Haben Sie das mal gegengecheckt? Die Frau ist nicht ganz richtig im Kopf.»
Das Treffen endete in allseitigem Geschnatter. Nachdem Flush gegangen war, sagte Mr. Margin: «Jetzt reicht es aber wirklich, Frank. Kommen Sie heute abend zu mir zum Essen.»
Als ich Mr. Margins Büro verließ, sah ich, daß weder Rose Cloth noch Lou Bodoni an ihren Schreibtischen saßen, und ich vermutete, daß sie bereits wieder miteinander konferierten.
Abends eröffnete mir Mr. Margin, nach dem Abendessen werde Shirley Baskerville, Proteans Vizechefberaterin, vorbeikommen. Da dann jede Menge geschäftliche Themen besprochen werden würden, wandten wir uns so lange gezielt etwas anderem zu, nämlich Bala, Mr. Margins zweiter Frau.
«Ihr Vater», erklärte Mr. Margin, «war ein Geschichtsfreak, und Bala wurde am hundertsten Jahrestag der Schlacht von Balaklava geboren. Ich glaube nicht, daß der Name tatsächlich Einfluß auf ihren Charakter hatte, aber er sagte wohl etwas über den Charakter ihres Vaters aus. So wie Jungs, die Lance oder Damien heißen - solche Namen beeinflussen nicht sie, sondern ihre Mütter, die sie ihnen gaben. Wie dem auch sei, Bala brütete ununterbrochen Ideen aus, und manche waren wirklich extrem.»
«Wir reden aber doch wohl nicht etwa davon, auf BHs zu verzichten, nicht wahr?» fragte ich.
«Nein, nein. Es ging eher in die Richtung, daß sie sich beigebracht hatte, im Stehen zu urinieren.»
«Geht das denn?»
«Zugesehen habe ich ihr dabei nicht. Sie behauptete, bei einer Frau im Chelsea Hotel einen entsprechenden Kurs mitgemacht zu haben. Das hatte irgendwas mit Muskelkontrolle zu tun. Sie fragte mich, nebenbei bemerkt, übrigens auch, ob ich bereit sei, als Solidaritätsgeste im Sitzen zu urinieren.»
«Und? Haben Sie's gemacht?»
«Wenn es sich so ergab. Derlei Dinge fand ich nie sonderlich wichtig. Manche von Balas Ideen fand ich amüsant, und andere habe ich sogar unterstützt. Wissen Sie, ich bin ein Feminist - oder war jedenfalls einer, bis diese Bodoni in mein Leben trat. Schwieriger war da schon der Umgang mit Balas Verhalten in der Öffentlichkeit, zum Beispiel in Fahrstühlen. Sie ertrug es nicht, wenn Männer ihr beim Aussteigen den Vortritt ließen, und manchmal geriet sie dann an jemanden, der ähnlich unbeugsame Vorstellungen wie sie selbst hatte. Sie fuhren dann von Stockwerk zu Stockwerk mit dem Fahrstuhl auf und ab, beide nicht willens, dem anderen den Vortritt zu lassen. Eines Tages fuhr ich mit Bala und so einem Typen zusammen im Fahrstuhl, und er fragte mich, ob ich zu dieser, Sie wissen schon, gehörte. Er benutzte die gängige Obszönität für eine Frau. Ich antwortete, daß wir zusammen seien, jawohl, daß ich mich aber aufs Schärfste von seinem Sprachgebrauch distanzierte, und wenn er sich nicht entschuldige, würde ich ihn aus dem Fahrstuhl werfen. Tja, und da hat Bala mir schwer einen verpaßt, indem sie sagte, daß sie keinem ihrer Ehemänner derartige Sexismen durchgehen ließe. Sie war schon kompliziert.»
Shirley Baskerville war eine kleine Frau Mitte Dreißig; sie hatte eine lange, spitze Nase, die ihre Augen nach innen zusammen zu ziehen schien. Als Mr. Margin mich ihr vorstellte, schielte sie mit einem mißtrauischen Blinzeln auch noch horizontal.
«Und seit wann arbeiten Sie schon für Protean, Mr. Page?»
«Seit etwa einem Jahr.»
«Erst seit einem Jahr?», sagte sie.
«Es kommt mir aber wie fünf vor», sagte ich.
«Erst fünf?», sagte sie.
«Frank ist meine rechte Hand», sagte Mr. Margin nachdrücklich.
«Ihnen ist ja wohl klar, Mr. Margin, daß es sich um eine äußerst delikate Angelegenheit handelt.»
«Ich finde sie eher abgeschmackt», sagte ich.
«Ich glaube, wir können Frank vertrauen, Miss Baskerville. Aber ich sehe die
Weitere Kostenlose Bücher