Belles Lettres
weiß über die Sammelklage Bescheid, Phil. Darüber können wir uns ein anderes Mal unterhalten. Im Augenblick möchte ich über Miss Cloth reden .. Ja, ich weiß, daß Sie mir zwanzig zur Auswahl geschickt haben. Ich mache Ihnen ja auch keine Vorwürfe, Phil .. Phil .. Hören Sie doch bitte mal zu! Ich fürchte, daß wir eine Klage wegen sexueller Belästigung an den Hals... Natürlich nicht.... Nichts.... Absolut nichts.... Hören Sie, kommen Sie einfach mal rüber!» Mr. Margin knallte den Hörer neben die Gabel.
Phil Flush, erhobenen Hauptes und vorgereckten Bauchs, wirkte auf mich immer wie der Verhandlungsführer einer außerirdischen Invasionstruppe, besonders, wenn er in fremden Bürozimmern auftrat.
Mr. Margin rief Rose Cloth dazu, schloß die Tür, und wir vier setzten uns an den Konferenztisch. Sie war eine verkniffene, kleine Kreatur und erinnerte mich an ein verschüchtertes Mäuschen.
«Es war stets meine tiefste Überzeugung», begann Mr. Margin im Stil einer Tischrede, wobei er uns alle ins Auge faßte, «daß wir, wie sehr wir uns auch bemühen mögen, gegenüber unseren Mitmenschen immer Fremde bleiben. Selbst nach Jahren der Vertrautheit, nach Jahren gegenseitiger Nähe, enthüllt uns ein einziges Wort, eine einzige Geste, ein einziger Gesichtsausdruck plötzlich eine Facette eines anderen menschlichen Wesens, mit der wir nie gerechnet hätten, und verändert so unsere gesamte Vorstellung von ihr oder ihm, und wenn wir noch nach Jahren der Beobachtung derart irren können, bedenke man doch erst die Möglichkeiten der Fehleinschätzung nach lediglich sechs Tagen wechselseitigen Beieinanders, zumal während intensiver Arbeitsstunden, die uns alle, ihn oder sie, mit ihren Pflichten ausfüllen.»
Ich ließ mein Clipboard schnicken.
«Worauf ich hinaus will, Miss Cloth, ist, daß Mr. Page mir berichtet hat, Sie seien über etwas irritiert, das Sie als einen gewissen Mangel an Schicklichkeit im Hinblick auf meinen Umgang mit Ihnen empfänden. Ist das richtig?»
«Das ist richtig.»
«Ja, also, als ich davon erfuhr, war mein erster Impuls, Sie unverzüglich aufzusuchen und Ihnen zu versichern, Ihnen mein Wort als Gentleman zu geben, daß ich nicht einmal für den leisesten Moment in meinen Gedanken auch nur einen Hauch von Unschicklichkeit Ihnen gegenüber hegte. Dann wurde mir freilich bewußt, daß Gedanken trotz alledem nicht zu erraten sind und es mithin angemessener sei, Sie hierher zu bitten, zusammen mit Mr. Page und Mr. Flush, damit Sie uns in Ihren eigenen Worten darstellen können, was in meinen Reden, Handlungen oder Verhaltensweisen diese Gefühle in Ihnen ausgelöst haben könnte.»
Sie antwortete wie eine Zeugin im Kreuzverhör. «Ja. Bei meinem Einstellungsgespräch hat Mr. Flush mir schon gesagt, was ich zu erwarten hätte.»
«Was Sie zu erwarten hätten?» sagte Flush.
«Streiten Sie das jetzt bitte nicht ab. Sie haben gesagt, und ich zitiere Sie wortwörtlich, Sie haben gesagt: ‹ Mr. Margin ist ein schwieriger Mensch, aber Sie werden schon mit ihm zurecht kommen, sobald Sie ihn besser kennen. › Ein klareres Signal gibt es doch gar nicht.»
«Wieso bin ich schwierig, Flush? Das leuchtet mir nicht ein.»
«Na ja, Marge, schwierig ist vielleicht nicht das richtige Wort.»
«Der Punkt ist doch der», sagte ich, «unabhängig vom richtigen Wort, daß Sie auf jeden Fall nicht den Zuhälter für Mr. Margin gespielt haben.»
«Das will ich doch sehr hoffen», sagte Flush.
«Was hat bei Ihnen denn sonst noch Verdacht erregt, Miss Cloth?» fragte ich. «Es muß doch noch etwas anderes gewesen sein.»
«Als Sie mich interviewt haben», sagte sie und zeigte mit einem kleinen, weißen Finger auf Mr. Margin, «haben Sie mir erklärt, was von mir im Büro erwartet wird. Dann sind Sie aufgestanden, und ihre Kleidung war dabei nicht korrekt.»
«Meine was war nicht korrekt?» fragte Mr. Margin.
«Ihre Kleidung war nicht korrekt.»
«Meinen Sie etwa, daß Mr. Margins Hosenstall offen stand?» fragte ich.
«Ja.»
«Ist das alles, Miss Cloth?»
«Dann habe ich das über meine Vorgängerin erfahren.»
«Was haben Sie über sie erfahren?»
«Was er ihr angetan hat.»
«Was hat er ihr denn angetan?»
«Er hat sie erst verführt und dann gefeuert.»
«Miss Cloth!» sagte Mr. Margin.
«Hat Ihnen das Miss Bodoni erzählt?» fragte ich.
«Andere auch.»
«Miss Cloth, ich versichere Ihnen...»
Ich hielt die Hand hoch, und Mr. Margin sprach nicht weiter. «Danke, Miss Cloth. Ich
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