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Belles Lettres

Belles Lettres

Titel: Belles Lettres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Simmons
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nach ihm sehen.
    Er saß zusammengesunken auf seinem Sessel, das Kinn auf der Brust, die Hände wie Pfoten auf dem Schreibtisch. Er fluchte, sabberte vor sich hin, atmete schwer und war sehr bleich. Ich fragte ihn, ob alles in Ordnung sei, aber er schlug nach irgend etwas vor seinem Gesicht, wie nach einer Fliege oder einem Spinnenfaden. Selma fragte, ob sie etwas tun könne. Er würgte, und eines seiner Augen flackerte wie ein Blinklicht. Ich sagte Selma, sie solle den Notarzt rufen und draußen auf dessen Eintreffen warten.
    Ein Krankenpfleger erschien mit einem Rollstuhl. Press zeigte keine Reaktionen. Der Krankenpfleger wischte ihm über die Stirn, fühlte die Temperatur, fühlte auch den Puls und fragte ihn, wie es ihm gehe.
    «Nehmen Sie mich von der Wand da weg!» sagte Press.
    «Welche Wand denn, Kollege?»
    «Er hat Angst, daß die Bücher auf ihn fallen könnten», sagte ich.
    «Was ist das hier, Kollege?» Der Krankenpfleger hielt ihm einen gestreckten Finger hin.
    Press legte die Hände vors Gesicht.
    «Sehn Sie mal, das ist 'n Lutscher.»
    Press blinzelte durch seine Finger und lächelte.
    «Okay, Kollege, auf geht's!»
    Wir hoben ihn in den Rollstuhl.
    «LSD?» fragte ich.
    «Sowas in der Art. Wir holen ihn runter, dann können Sie jemanden vorbeischicken, der ihn nach Hause bringt.
    Wie kommt er auf die Idee, während der Arbeit 'n Trip zu schmeißen?»
    «Bürostreß, vermute ich.»
    «Ich weiß, was Sie meinen», sagte der Krankenpfleger.
    Alle bekamen mit, wie Press zum Fahrstuhl geschoben wurde. Gerüchte kursierten, er habe einen Herzinfarkt gehabt, einen epileptischen Anfall, einen Anflug von Großzügigkeit. Ich entfernte die Briefmarken von Press' Schreibtisch und erzählte Ed Princeps, was passiert war. Er sagte, er wolle sich mal mit Lou Bodoni unterhalten.

XI   Leserbriefe
    Ü berzeugt, eine Lebensmittelvergiftung gehabt zu haben, erschien Press am Montag wieder in der Redaktion. Er rief mich in sein Büro. «Lassen Sie alles stehen und liegen!» sagte er. «Ich will, daß Sie einen Brief an die zehn besten Literaturkritiker in Amerika schicken und anfragen, was sie von der neuen Belles Lettres halten.»
    «Welche neue Belles Lettres?» fragte ich.
    «Seit ich am Ruder bin.»
    «Mir ist nichts Neues aufgefallen.»
    «Sie sind zu dicht dran. Ich will rauskriegen, was die Leute denken, besonders die Kritiker. Okay?»
    «Nur damit wir uns nicht mißverstehen: Ich wähle also zehn Kritiker aus.»
    «Die zehn besten Kritiker.»
    «Zehn gute Kritiker gibt es gar nicht», sagte ich.
    «Ach so? Dann eben die am wenigsten schlechten. Sie wissen schon, was ich meine.»
    «Ich wähle die zehn am wenigsten schlechten Kritiker in Amerika aus. Ich schicke denen einen Brief. Allen den gleichen Brief?» Press nickte. «Und frage in dem Brief, was sie von der neuen Belles Lettres halten. Soll ich ihnen sagen, daß die Zeitschrift neu ist, oder wissen sie das sowieso?»
    «Schreiben Sie einfach: ‹ die neue Belles Lettres › ! Was ist denn los, Page? Das ist doch wirklich nicht kompliziert.»
    «Wem soll das dienen?»
    «Mir. Ich möchte darüber informiert sein.»
    «Mit wessen Namen soll der Brief gezeichnet werden?»
    «Mit Ihrem. Sie schreiben den Brief, also unterschreiben Sie ihn auch.»
    «Mal angenommen, ich würde ihn nicht schreiben. Müßte ich ihn dann trotzdem unterschreiben?»
    «Page, ich kann auch jemand anders mit dieser Sache beauftragen.»
    «Warum tun Sie's dann nicht?» sagte ich und stand auf.
    Press zeigte auf mich. «Weil ich will, daß Sie das erledigen.»
    Ich überlegte, ob ich mich weigern und kündigen oder mich lieber weigern und gefeuert werden sollte, sagte jedoch: «Okay.»
    «Hokay! Morgen zeigen Sie mir den Brief und die Liste der Kritiker. Selma schickt ihn dann ab.»
     
    Der Brief, der eigentlich leicht hätte sein sollen, war die reinste Agonie. Hauptsächlich wohl, weil ich nicht verstand, worauf Press hinauswollte. Nach vielen langen und kurzen Entwürfen ließ ich es zu Hause, mit Scotch abgefüllt, um Mitternacht bewenden mit: «Der neue Chefredakteur von Belles Lettres, Newbold Press, wüßte gern, wie Ihnen die neue Belles Lettres gefällt. Vielen Dank.» Ich muß schwer betrunken gewesen sein, weil mir der Brief perfekt vorkam, als ich zu Bett ging.
     
    «Was soll das denn sein?» sagte Press. «Ein Telegramm? Ich will einen Brief. Schreiben Sie einen Brief! Schreiben Sie ihn etwas.» Er streckte die Hände aus, Handflächen nach oben.
    «Blumiger?»
    «Sie

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