Belles Lettres
haben's erfaßt.»
Ich nahm den Brief, blieb vor ihm sitzen und schrieb: «Wir von Belles Lettres wüßten gern, wie unsere Arbeit bei Ihnen ankommt. Jede Woche bringen wir eine neue Ausgabe heraus und haben dabei manchmal das Gefühl, selbst zu dicht an der Sache zu sein, um noch das gesamte Spielfeld überblicken zu können. Sie aber befinden sich an den Außenlinien. Sie sind Kritiker. Kritik ist Ihre Aufgabe. Wir möchten, daß Sie uns kritisieren. Wir möchten wissen, was Sie von uns halten. Wie Sie vielleicht wissen, haben wir einen neuen Chefredakteur. Er macht sich Gedanken über die Wirkung seiner Arbeit auf die Zeitschrift. Deshalb würden wir von Ihnen besonders gern wissen, wie die jüngsten Ausgaben bei Ihnen angekommen sind. Wir erlauben uns, diese Ausgaben beizufügen, um Ihnen die kritische Durchsicht zu ermöglichen. Wir hoffen, daß Ihre knapp bemessene Zeit es gestattet, uns zu helfen. Und wir setzen auf Ihre Hilfe, weil Sie damit letztendlich der amerikanischen Literatur helfen.»
Ich reichte Press den Brief.
«Jetzt wird 'n Schuh draus. Das nenn ich 'n Brief. Hier!» Er gab mir den Bogen zurück. «Fügen Sie noch was hinzu! Schreiben Sie mit! ‹ Anbei finden Sie einen Scheck über 500 Dollar. Er gehört Ihnen! Lösen Sie ihn ein! Ob Sie uns antworten oder nicht - es ist Ihr Scheck! Und tausend Dank! Ich wünschte, der Scheck beliefe sich auf eine Million .› Haben Sie das?»
«Hab' ich», sagte ich.
«Geben Sie Selma den Brief!» sagte er, stand auf und rieb sich den Brustkorb.
Einer der Kritiker, inzwischen weit in den Siebzigern, der sich als junger Mann mit einer lyrischen Apotheose amerikanischer Prosa des späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts einen Namen gemacht hatte, rief an und erkundigte sich, worum es eigentlich gehe. Ich wiederholte, was Press mir gesagt hatte. «Ja, ja», sagte er, «aber was will er denn?» Ich sagte, daß ich auch nicht mehr wüßte, als was in dem Brief stand. «Ach, kommen Sie schon», sagte er, «wie soll ich Ihnen antworten, wenn ich nicht verstehe, worum es eigentlich geht?» Das irritierte mich vermutlich deshalb, weil er sich genauso hilflos vorkam wie ich mir selbst. Ich sagte: «Warum erfüllen Sie nicht einfach das, um was Sie in dem Brief gebeten werden, und scheren sich nicht weiter um den Subtext.» Er sagte, wir seien ja eine ganz gerissene Truppe und er würde sich also die Sache allein zurechtlegen.
Seine umfangreiche Antwort, die am nächsten Tag per Boten eingeliefert wurde, endete mit den Worten: «Wie auch immer diese Leistung zustande gekommen sein mag, ist der allgemeine Tenor der Beiträge mit Sicherheit leichter und klarer geworden. Ob sich dies nun einem Wechsel zu neuen freien Mitarbeitern verdankt, strengerer Redigierung, redaktioneller Betreuung der Beiträge, bevor sie verfaßt werden, oder womöglich einem gestiegenen Bewußtsein seitens der freien Mitarbeiter, daß ihnen von nun an ein gepflegterer Stil abverlangt wird, läßt sich schwer einschätzen. Vielleicht handelt es sich um eine Kombination all dieser Gründe. Doch was immer die Hintergründe sein mögen, gibt es meiner Ansicht nach keinen Zweifel, daß Belles Lettres in eine neue Phase ihrer langen, ehrwürdigen und ungewöhnlich sinnvollen Existenz eingetreten ist.»
Ein anderer Kritiker rief ebenfalls an, um herauszufinden, worum es ging, packte die Sache jedoch anders an. Er sagte nämlich, daß es seiner Ansicht nach ein brillanter, innovativer Schachzug sei, «die eher wichtigen freien Mitarbeiter» in den redaktionellen Prozeß einzubeziehen. Wer auch immer verantwortlich sei, habe jedenfalls ein ausgeprägtes Verantwortungsbewußtsein gegenüber den Pflichten seiner Berufung an den Tag gelegt. Ich sagte, daß Press die Idee gehabt hätte, was den Kritiker in Verzückung versetzte. Als sein Brief eintraf, war folgendes zu lesen: «Wie jede individuell hervorgebrachte Publikation habe ich auch stets Belles Lettres in ihrem Kontext verstanden, will sagen: als ein Organ des gesamten Kulturkörpers. Jede Veränderung des Körpers als Ganzes affiziert auch alle Einzelteile, wie auch umgekehrt jede Veränderung eines Einzelteils das Ganze affiziert. Im speziellen Hinblick auf Belles Lettres war mir stets klar, daß die Zeitschrift zum Zweck ihrer Beständigkeit und Ausrichtung sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft ausgriff. Was meine Wahrnehmung der neuen Belles Lettres angeht, möchte ich nur so viel sagen: Auch der jüngste Wechsel
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