Belles Lettres
innerhalb der Chefredaktion steht in jener Tradition Belles Lettres', die ihre Identität stets nach den Modellen gemeißelt hat, die ihr die Überlieferung bot; die Lektionen der Konvention und des gesellschaftlichen Konsenses (literarisch, sozietär, politisch u.s.w.) hat die Zeitschrift immer gestärkt und in hohem Ansehen gehalten. Und das war gut so. Nur, indem wir unsere Bindungen zu dem stärken, was wir gewesen sind, können wir verstehen, was wir heute sind. Gleichwohl entdecke ich in den mir zugesandten Ausgaben von Belles Lettres eine entschiedene Verlagerung des Schwerkraftzentrums, sozusagen von der Vergangenheit zur Zukunft. Was einst ein Bewahrendes war, schwingt sich auf zum Prophetischen. Selbstverständlich benötigen wir beides;
doch benötigen wir vielleicht an diesem Wendepunkt das letztere stärker. Bei diesem riskanten Manöver strecke ich Ihnen Herz und Hand entgegen.»
Ein dritter Kritiker rief an und sagte, daß er durchaus daran interessiert sei, meinen Brief zu beantworten, daß ihm jedoch, wenn er «der Zeitschrift in dieser schwierigen Übergangsphase zur Seite springen würde», gewisse Rezensionsaufträge garantiert werden müßten. Er nannte sechs von zwölf der wichtigsten Titel des neuen Halbjahrs. Drei Bücher stammten von Autoren, mit denen er, wie ich wußte, befreundet war, und eins stammte von einem seiner erklärten Feinde. Ich sagte, daß ich bestenfalls seinen Namen ins Gespräch bringen könnte, wenn die Rezensenten ausgesucht würden. Er sagte, er sei enttäuscht, daß ich ihm keinen attraktiveren Schreibimpuls anbieten könnte. Nichtsdestotrotz würde er das ihm Mögliche beitragen, um uns aus der Patsche zu helfen. In seinem Brief fand er dann auch die neue Belles Lettres außerordentlich verdienstvoll.
Alles in allem schickten sieben der zehn ihre Kritiken. Sechs waren umfangreich; eine war eine Postkarte: «Kommt mir vor wie immer. Alles Gute beim Umbau. Danke für den Scheck.»
Neun der zehn Kritiker lösten ihre Schecks ein. (Monate später begegnete ich zufällig dem, der ihn nicht eingelöst hatte. Er sagte, daß er sich daran erinnern könne, einen Brief von Belles Lettres in der Annahme, daß es sich um eine Abonnementsmahnung handelte, ungeöffnet weggeschmissen zu haben. Er wollte wissen, ob man ihm den Scheck noch einmal zustellen könnte. Ich sagte, er könne es ja mal versuchen.)
Als ich Press die Antworten brachte, war er sehr zufrieden. «Hok ay! Hauen Sie jetzt mal fix tausendfünfhundert Wörter raus. Wir bringen das in der nächsten Ausgabe.» «Soll das ein Witz sein?»
«Ich mache keine Witze. Wenn wir gute Arbeit leisten und die Kritiker uns das ins Stammbuch schreiben, gibt es keinen vernünftigen Grund, es unseren Lesern vorzuenthalten.»
«Wollen Sie denn nicht vorher Genehmigungen einholen, die Briefe abzudrucken?»
«Wieso Genehmigungen? Das sind doch bezahlte Gutachten. So, wie wenn ich 'n Ring beim Juwelier schätzen lassen würde.»
«So ist es meiner Meinung nach keineswegs. Die Leute konnten doch nicht ahnen, daß Sie ihre Antworten veröffentlichen wollen.»
«Glauben Sie nicht, daß sie gesagt haben, was sie meinen?»
«Ehrlich gesagt - nein.»
«Sehen Sie, das ist eben der Unterschied. Sie sind mißtrauisch. Ich nicht.»
Ich hätte die Kritiker anrufen und ihnen damit Gelegenheit zum Einspruch geben können. Stattdessen kam ich zu der Einsicht, daß sie nun das bekamen, was sie verdienten.
Ohne jede redaktionelle Einleitung füllten Auszüge aus den sechs Briefen Seite Drei der nächsten Ausgabe - als wären sie Ausdruck spontaner Liebesbezeugungen. Ich hörte nur etwas von dem ersten Kritiker. Jetzt wisse er, worum es gegangen sei, sagte er und wiederholte, daß wir eine gerissene Truppe seien. «Und was Sie angeht», sagte er, «Ihren Namen werde ich mir merken.»
Die Briefe erregten durchaus Aufmerksamkeit. Die Zeitschrift New York verlieh Belles Lettres den William F. Buckley Preis für Eigenlob. Und der New Yorker brachte einen Cartoon von William Hamilton, auf dem ein Mann eine Ausgabe von Belles Lettres in der Hand hält und zu seiner Frau sagt: «Wenn man seine Flöte nicht selber bläst, bläst niemand sie.» The Village Voice, die herausfand, wie die Briefe zustande gekommen waren, entlarvte die Sache in einem seriösen Artikel mit der Überschrift «Bezahlt von Belles Lettres».
Trotz der zweifelhaften Publicity bekamen Press und die Redaktion von Cyrus Tooling Jr. eine Kurznachricht: Aufmerksamkeit redlich
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