Belsazars Ende
helles Blut aus der Schnauze strömte. Er mußte über ihren Bauch hinweggerollt sein. Sie war tot.
Fluchend schaltete Toppe die Zündung aus, schloß den Wagen ab und sah sich hilfesuchend um. Kein Mensch zu sehen – verdammter Mist!
Er beugte sich noch einmal hinunter und stieß die Katze vorsichtig an. Kein Zweifel, sie war tot.
Na ja, Arend würde wohl wissen, wie man hier so was handhabte.
Arend Bonhoeffer saß, seine 196 schlanken Zentimeter hinter dem winzigen Schreibtisch zusammengefaltet, in seinem fensterlosen Kellerbüro und sprach in ein Diktaphon. Sein kurzes Haar war grau, aber seine dunkle Haut und seine braunen Augen ließen ahnen, daß es einmal schwarz gewesen sein mußte.
Als Toppe nach flüchtigem Klopfen eintrat, blickte er schnell auf und lächelte dann.
»Ich hab’ gerade eine Katze überfahren«, ließ Toppe ihm nicht einmal Zeit für eine Begrüßung. »Hast du eine Ahnung, wie das hier bei euch geregelt wird. Ich meine, irgendwie muß man die doch wegräumen.«
»Nun setz dich doch erst mal.«
Bonhoeffer ließ sich erzählen.
»Die muß von irgendeinem Anwohner sein. Hier in der Klinik gibt es keine Katzen.«
»Egal«, sagte Toppe. »Jetzt ist es sowieso zu spät. Was mach’ ich denn jetzt mit dem Viech?«
»Keine Ahnung«, antwortete Bonhoeffer gelassen und zog das Telefon heran, »aber ich frage mal beim Pförtner nach.«
»Tote Katze?« meinte der Pförtner. »Weiß ich auch nicht, wer das macht. Ich geh’ mal davon aus, die Hygieneschwester. Warten Sie, ich funk’ sie mal eben an.«
»Jaa, Schwester Klothilde.«
»Bonhoeffer. Hören Sie, auf dem Parkplatz ist eine Katze überfahren worden. Der Kadaver müßte..«
»Wie bitte? Eine Katze? Nein, damit habe ich nichts zu tun. Das machen die Leute vom Hol- und Bringedienst. Ich geb’ Ihnen mal eben die Nummer.«
»Ja, bitte«, sagte Bonhoeffer freundlich und wartete.
»Moment noch«, nickte er zu Toppe hinüber und wählte.
»Holundbringedienstschäfergutentag. Jaa? Nein! Früher haben wir das gemacht, ja. Aber inzwischen darf so was nur noch der Schlachthof machen.«
»Der was?«
»Der Schlachthof in Wesel.«
Bonhoeffer tippte sich an die Stirn und griff zum Telefonbuch.
S … Sch … Schlachthof..
Die Stimme am anderen Ende war ausgesprochen ungehalten. »Tote Katze? Ja, spinn’ ich denn? Was haben wir denn damit zu tun? So was ist doch Sache der Stadtverwaltung!«
Bonhoeffer lachte. Er schien an diesem Spielchen Spaß zu finden. Toppe saß auf heißen Kohlen.
»Selbstverständlich würden wir Ihnen gern helfen«, sagte die Stadtverwaltung, »aber so etwas ist Sache Ihrer Hygieneschwester.«
»Die hat mich aber bereits weiterverwiesen.«
»Ja? Tja, dann würde ich mich an Ihrer Stelle an die Kreisverwaltung wenden.«
»Kreisverwaltung«, murmelte Bonhoeffer und blätterte im Telefonbuch zurück.
»Spinnst du?« rief Toppe. »Hör doch auf mit dem Scheiß!«
»Nix da«, sagte Bonhoeffer, »das will ich jetzt genau wissen. So was gibt’s doch gar nicht!«
»Das ist eine Angelegenheit, für die Ihre Stadtverwaltung verantwortlich ist. Damit haben wir nichts zu tun«, meinte die Kreisverwaltung hilfsbereit.
»Interessant«, triefte Bonhoeffer. »Ich habe da nur ein winziges Problem: meine Stadtverwaltung hat mich soeben an Sie weiterverwiesen.«
»Wirklich?? Ja..«, kam es fassungslos aus der Leitung, »dann warten Sie doch bitte einen kleinen Moment, ich erkundige mich.«
»Reizend!«
»Hören Sie? Also, dafür ist der Abdeckdienst in Marl zuständig.«
»In wo?« fragte Bonhoeffer.
»In Marl.«
»Ach, ich dachte, ich hätte mich verhört.«
Er legte auf und lachte lauthals.
»Hast du zufällig einen Klappspaten in deinem Auto«, meinte Toppe grimmig.
»Nö«, sagte Bonhoeffer, »aber der Hol- und Bringedienst hat sicher einen.«
Er griff zum Hörer.
Toppe raufte sich die Haare und schlug die Stirn gegen die Tischplatte.
Bonhoeffer tätschelte ihm liebevoll den Hinterkopf. »Komm, du Katzenmörder, willst du einen Kaffee?«
Toppe verzog das Gesicht. »Ich würd’s lieber erst hinter mich bringen.«
Bonhoeffer grinste verständnisvoll und nahm ihn mit in die Prosektur.
Auf dem Stahltisch lag der nackte Leichnam Hans Roderik van Veldens, ein massiger, schlaffer Körper.
Über den kahlen Schädel verlief eine rote Narbe, die mit groben Stichen genäht worden war.
Die Hände steckten in Plastikbeuteln. Brust und Bauch sahen so aus, als habe man einen durchgehenden, breiten Reißverschluß
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