Belsazars Ende
eingenäht. Die untere Körperpartie war dunkel von violetten Totenflecken.
Toppe zwang sich, alles genau wahrzunehmen, und drehte sich dann schnell um.
Sie gingen in Bonhoeffers Büro zurück.
»Calvados?« fragte Bonhoeffer.
»Nein, heute nicht«, antwortete Toppe. »Die Unterlagen aus Nimwegen hast du wohl noch nicht da?«
»Werden bestimmt morgen kommen.«
»Gut. Sag mal, war van Velden eigentlich betrunken?«
»Nein. Er hatte zwar Alkohol getrunken, war aber unter 0,8 Promill. Viel gegessen hatte er auch nicht: Gemüse, Hühnerfleisch, Brot, etwas Fett und Erdbeerkonfitüre.«
Bonhoeffer zog einen Zettel aus dem Papierberg auf dem Schreibtisch.
»Das dürfte dich interessieren: er hatte fremde Gewebespuren unter den Fingernägeln. Ich habe sie eingeschickt.«
»Das ist gut. Kann man genau bestimmen, von wem das Gewebe stammt?«
»Nein, Wunder können wir auch nicht vollbringen. Aber wir können sagen, ob es sich um menschliches Gewebe handelt. Wenn ja, können wir das Geschlecht bestimmen und die Blutgruppe. So, und jetzt erzähl du mir mal was über die ganze Geschichte. Der Mann war offensichtlich in einen Kampf verwickelt. Das fremde Gewebe unter den Nägeln weist daraufhin. Und hast du die Hämatome an den Armen gesehen?«
»Nein«, gab Toppe zu. »Und so sehr viel kann ich dir über diesen Fall gar nicht erzählen.«
Er kramte das Wenige zusammen, was sie bis jetzt herausgefunden hatten.
»Du siehst, bis jetzt ist fast alles reine Spekulation.«
»Hm, an der Wand waren auch Blutspuren«, murmelte Bonhoeffer nachdenklich.
»Ja. Was ist denn jetzt mit seinem Schädel? Ist er erschlagen worden?«
Bonhoeffer zog die Augenbrauen zusammen. »Da kann ich mich noch nicht festlegen..«
»Ach, komm, Arend, wenigstens eine Vermutung.«
»Nein, Helmut, wirklich nicht«, antwortete Bonhoeffer ernst. »Auf Vermutungen lasse ich mich nicht ein. Du mußt dich noch ein, zwei Tage gedulden.« Er lachte. »Ich weiß, das fällt dir schwer.«
»Ja«, schnaubte Toppe, »und diesmal ganz besonders, weil mir nämlich Stasi mit seiner verdammten Presse im Nacken hängt.«
12
Toppe zog seine Jacke aus und legte sie neben sich ins Gras.
Der einzige Ort, an dem man hier eine Katze begraben konnte, war der Hubschrauberlandeplatz vor dem Krankenhaus.
Die Erde war fest, und es war nicht leicht, das Gras abzuheben. Er geriet ins Schwitzen. Der Spaten, den Arend ihm unter irgendeinem Vorwand besorgt hatte, war zudem stumpf und rostig. Aber schließlich, wann brauchte man in einer Klinik schon mal einen Spaten?
Jetzt war das Loch groß genug. Mit der Hand wischte er sich den Schweiß aus dem Nacken, nahm den Plastiksack, den Arend ihm mitgegeben hatte und holte die Katze.
Sollte er sie mitsamt dem Sack ins Loch fallen lassen, oder lieber..?
»Hee, Sie da«, brüllte es.
Toppe sah sich suchend um.
»Hier oben!«
Am Fenster der Privatstation stand ein älterer Mann in einem blauen Bademantel. Er hatte beide Arme in die Seiten gestützt und das Kinn herausfordernd nach vorn geschoben.
»Ich beobachte Sie schon die ganze Zeit. Was machen Sie da? Haben Sie überhaupt eine Befugnis?« bollerte er.
Toppe griff in die Hosentasche und zog seine Dienstmarke hervor. »ADM«, rief er hinauf und grinste.
»Wie bitte?« schrie der Mann zurück.
»Abdeckdienst Marl«, rief Toppe und ließ die Katze aus dem Sack in das Loch gleiten.
»Das ist natürlich etwas anderes«, brummte der Mann.
Toppe prustete in sich hinein und sah zu, daß er die Bestattung zu Ende brachte.
Breitenegger und van Appeldorn standen am Fenster und blätterten in einem Schuhkatalog, als Toppe ins Präsidium zurückkehrte.
Es lag was in der Luft, das spürte er gleich. Breitenegger holte auch sofort seinen Block und setzte sich neben Toppe auf die Schreibtischecke.
»Mein Gespräch mit van Veldens Haushälterin war recht aufschlußreich«, begann er. »Die Frau ist schon etwas älter, so an die Sechzig. Sie arbeitet seit über zwölf Jahren bei van Velden, jeden Morgen, montags bis freitags von 9 bis 13 Uhr. Die Arbeit wäre in Ordnung und ganz anständig bezahlt. Van Velden sei immer äußerst zuvorkommend gewesen – richtig dankbar, sagte sie.«
Toppe wollte einhaken, besann sich dann aber und kritzelte etwas auf seinen Block.
»Sie hat für ihn geputzt, eingekauft und gekocht. Nach den Parties sei immer sehr viel aufzuräumen gewesen, aber da hätte ihre Tochter schon mal mitgeholfen.«
Toppe strich seine Notiz wieder durch.
Breitenegger
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