Ben - Alles auf Anfang (German Edition)
lasse ich mal meine gute Kinderstube raushängen und gehe ins angrenzende Bad, um mir die Hände zu waschen.
Nach der Rückkehr in die Küche greife ich, Gwisdeks Beispiel folgend, nach einer der Bierflaschen und stelle erfreut fest, dass sie eiskalt und bereits offen ist. Erfrischend rinnt mir die Flüssigkeit durch die Kehle, und ich gebe ein zufriedenes „Aaaaaah!“ von mir, als ich sie absetze, was mir ein breites Grinsen von Seiten des Alten einbringt.
Überhaupt stelle ich fest, dass es ein gutes Gefühl ist, so nach getaner Arbeit. Man sitzt da, lässt das was man geschafft hat Revue passieren und – es fühlt sich einfach gut an!
Fast so befriedigt wie nach einem guten Fick
... denke ich grinsend.
Der alte Mann und ich sitzen jedenfalls einfach nur da, schweigen und prosten uns zu. Das ist definitiv etwas, was ich ihm hoch anrechne: er versucht nicht mich auszufragen, wie das viele gerade ältere Leute sonst so gern mit Jüngeren tun.
Was machst du? Wer bist du? Woher kommst du? Und natürlich immer wieder gerne genommen: Hast du denn schon eine Freundin?
Früher, als Junge und auch noch als Teenager hab` ich mich immer bemüht höflich zu sein und brav geantwortet. Was mir natürlich noch mehr nervige Fragerei beschert hat. Seit ein paar Jahren habe ich aber festgestellt, dass ein bisschen kackfreche Rotzigkeit meist sehr schnell dafür sorgt, dass ich meine Ruhe habe.
Spätestens wenn ich auf die Frage nach einer Freundin erwiderte: „Nein. Und ich will auch keine. Ich ficke lieber Männerärsche“, geht das Interesse an einem Gespräch mit mir üblicherweise sehr schnell gegen Null.
Natürlich gibt es auch die berühmten Ausnahmen, aber insgesamt ein sehr probates Mittel.
Doch wie gesagt, Gwisdek ist nicht so, und ich fange langsam aber sicher an, den alten Herrn ein bisschen zu mögen.
Als die Pizza kommt, essen wir gemeinsam in weiterhin einträchtigem Schweigen, und nachdem ich die Küche aufgeräumt habe, mache ich mich auf den Heimweg. Mein Auftraggeber hat mir ein großzügiges Trinkgeld zugesteckt, und irgendwie ist das ein komisches Gefühl gewesen.
Vor gar nicht allzu langer Zeit stand ich – materiell gesehen – weit über dem alten Mann, und jetzt ist er es, der mir Kohle zusteckt.
Und was das Verrückteste daran ist: ich freu` mich auch noch drüber wie Bolle!
Okay, es sind nur zehn Euro, aber vermutlich ist das für ihn eine ziemlich stolze Summe. Vergleichsweise. Ich meine, auf Rosen ist er nicht gebettet, auch wenn er in seinem eigenen Haus lebt. Es ist immer ordentlich dort, wenn ich komme, und sauber auch, aber die Einrichtung ist alt, hat unter Garantie mehr Jahre auf dem Buckel als ich, und auch seine Kleider sind zwar gepflegt, aber doch abgewetzt.
Wie ich so darüber nachdenke, schäme ich mich ein bisschen, dass ich das Trinkgeld einfach so angenommen habe. Und die Pizza hat er ja auch noch bezahlt!
Aber jetzt ist es eh zu spät und außerdem hätte ich ihn mit Sicherheit beleidigt, wenn ich es nicht angenommen hätte.
Zuhause angekommen steige ich unter die Dusche und genieße das Gefühl, mir sämtlichen Schweiß und Dreck vom Körper zu spülen. Mir tun sämtliche Knochen weh, und mein Muskelkater macht die reinste Katzenmusik. Einzig meinem Gesicht geht es besser, weil ich heute Morgen so clever war und mir eine dicke Lage Sonnencreme drauf geschmiert habe, bevor ich zu Gwisdek gefahren bin.
Aber trotzdem fühle ich mich – ja, sauwohl in meiner Haut. Ich frage mich, was mein Vater sagen würde, wenn er mich jetzt sehen könnte.
Ich und lebensuntüchtig? Pah!
Zwar kann ich mir nicht vorstellen, dass Gartenarbeit jemals mein Hobby wird, aber körperliche Arbeit liegt mir definitiv mehr als ein Studium oder ein dröger Bürojob. Soviel gibt mir mein Bauch heute zu verstehen.
Jetzt bin ich nur gespannt, was für ein Auftrag morgen auf mich wartet. Die Arbeit bei dem alten Herrn ist erledigt. Ich muss also zuerst ins Büro und mir da neue Anweisungen abholen. Ich bin ehrlich gespannt …
Wie sich rausstellt, hätte ich auf diesen Job ehrlich gerne verzichtet.
Eine Wohnungsauflösung.
Allerdings nicht die simple Version, sondern eine echte Hardcore-Nummer. Eine Drei-Zimmer-Bleibe, aus der die letzten Mieter per Klage rausgesetzt worden sind. Sie haben es dann aber vorgezogen, lieber ohne Nachsendeadresse zu verschwinden und die Bude so zu hinterlassen, wie sie mittlerweile ist, nämlich vollkommen vermüllt und verdreckt. Das müssen wohl
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