Ben - Alles auf Anfang (German Edition)
Messis gewesen sein, oder sowas.
Der Vermieter empfängt unsere Mannschaft unten an der Haustür und erklärt uns auf dem Weg zur Wohnung die Lage. Als er vor drei Tagen erstmals wieder die Räume betreten hat, wäre er fast rückwärts umgefallen und zehn Minuten später kann ich das auch nur zu gut verstehen, geht es mir doch genauso wie ihm.
Geschockt starre ich in eine Art … Höhle, aus Klamotten, Plastiktüten, Flaschen, alten Zeitungen, jeder Menge Müll und was nicht noch alles. Wände sehe ich keine, alles ist aufgetürmt bis dicht unter die Decke, es stinkt muffig süßlich, der schmale Streifen Fußboden, der noch sichtbar ist, ist überzogen von einer dicken Schmutzschicht und allein bei diesem Anblick fühle ich mich schon schmutzig und habe das dringende Bedürfnis mich wahlweise zu kratzen oder in ein Ganzkörperkondom zu schlüpfen.
Überall flattern Spinnweben, und eigentlich würde es mich nicht wundern, wenn hier drin irgendwo neues Leben entstanden ist. Ein hässliches, unheiliges Leben, unter Garantie schleimig, haarig und monströs …. Mich schüttelt es.
Meine zwei Kollegen, die mit mir für diese Arbeit eingeteilt sind, nehmen es lockerer. Sie sind schon länger dabei und anscheinend abgebrüht. Wahrscheinlich haben sie so was schon mehr als einmal gesehen.
Mirko, der Eine, ein bulliger, muskulöser Typ, der aussieht wie ein Bodybuilder rümpft die Nase.
„Na toll!“, knurrt er. „Wer die Leiche als Erster findet, darf sie behalten.“
„Was?“ Entsetzt schaue ich ihn an. Eine Leiche? Das war doch wohl ein Witz?
Er hebt einen Mundwinkel in der Karikatur eines Lächelns. „Was 'was'?“ fragt er. „Sag` bloß, du riechst das nicht? Den Gestank kenn` ich. Ich tippe auf tote Ratten oder ein Haustier.“
Ich mache große Augen, und für einen Augenblick ist es mucksmäuschenstill. Da plötzlich raschelt es im Mount Everest des Grauens, und ich zucke zusammen.
„Sag` ich doch!“, kommentiert Mirko. „Ratten! Unter Garantie!“
Ich mache einen schwächlichen, letzten Versuch. „Wie sollen die denn hier reinkommen? Wir sind hier im zweiten Stock!“
Er schenkt mir einen mitleidigen Blick und erklärt dann: „Durchs Klo, wie denn sonst? Häuser wie das hier haben noch keine modernen Rückschlagventile, und die alten Dinger halten sie nicht auf. Die schwimmen durch die Rohre und wenn es irgendwo was Fressbares gibt, dann bleiben sie auch. Und um was wollen wir wetten, dass es ihnen hier gefallen hat?“
Er macht eine ausladende Bewegung in Richtung Wohnungsinneres und Timo, der andere Kollege nickt zustimmend.
„Ich würde jedenfalls sagen, wir gehen erst mal runter an den Wagen und ziehen Schutzkleidung an. Wer weiß, was wir uns sonst hier wegholen“, bestimmt Mirko weiter, und wir verlassen die schmutzige Höhle noch ein letztes Mal bevor es ernst wird. Ich sehne mich schmerzhaft in Gwisdeks Garten zurück, aber der bleibt heute für mich unerreichbar.
Unten auf der Straße schlüpfen wir in weiße Papieroveralls mit Kapuzen und legen jeder einen Mundschutz an. Schließlich verteilt Mirko noch dicke Schutzhandschuhe und los geht`s.
Sechs Stunden später bin ich völlig am Ende. Körperlich, aber auch nervlich. Es ist uns inzwischen gelungen, den Flur, das Wohnzimmer und das Badezimmer zu leeren. Das meiste an Kram ist in riesigen Müllsäcken gelandet und hat den Weg durchs Treppenhaus nach draußen und in einen extra angemieteten Container gefunden. Wertgegenstände haben wir – wie eigentlich nicht anders erwartet – keine gefunden, und die noch vorhandenen Möbel zerlegt und ebenfalls entsorgt. Schlafzimmer, Küche und ein weiteres Zimmer stehen uns noch bevor, allerdings ist jetzt schon klar, dass wir das heute nicht mehr alles schaffen.
Es ist einfach unglaublich!
Der Dreck, der Gestank, der uns trotz Mundschutz in die Nase steigt, und immer wenn ich denke, ekliger geht es nicht mehr, dann finde ich wieder was Neues, was mir den Magensaft in die Kehle steigen lässt. Ob es dreckige Unterwäsche ist, verdorbenes Gemüse oder Hundekot. Ich bin heilfroh, dass ich Schutzkleidung anhabe und frage mich, was für Menschen das sein müssen, die so gelebt haben.
Laut dem Vermieter, der sich übrigens wieder verkrümelt hat – wie beneidenswert! - war es ein äußerlich ziemlich normal wirkendes Paar. Er hatte ja selber keinen blassen Dunst davon, wie sehr seine Mieter die Wohnung verwahrlosen ließen, bis er nach einer Ewigkeit selber wieder in den Räumen
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